Wirtschaftswurm-Blog

Keine Panik! Rezession!

Eine Wirtschaftsabschwung steht uns bevor. Anlass für einen Blick zurück und in die Statistik. Wie häufig sind Rezessionen? Wie lange dauern sie?

Die Angst vor dem Absturz“ titelt das Handelsblatt. Hilfe! Rezession! Die Konjunktur bricht ein!

Rezession liegt vor, wenn die Produktion von Gütern und Dienstleistungen, in ihrem Wert gemessen, zurückgeht. Nach offiziellen Definitionen spricht man von einer Rezession, wenn dies in zwei Quartalen hintereinander der Fall ist. Rezession bedeutet meist Entlassungen und steigende Arbeitslosigkeit und darum haben wir Angst.

Wenn die Wirtschaftsleistung zurückgeht, sind Regierungen immer völlig überrascht. Wortreich erklären sie mögliche Ursachen des Abschwungs. Ihre Angst: man könnte ihnen die Schuld an der Rezession in die Schuhe schieben.

Aber sind Rezession etwas Außergewöhnliches, etwas mit dem man überhaupt nicht rechnen konnte, etwas, das den normalen Rahmen sprengt?

Statistik beantwortet die Frage.

Auf den Seiten der OECD findet man BIP-Daten für 34 reiche Volkswirtschaften. Für die meisten der 34 Länder sind dort die BIP-Zahlen seit 1970 verfügbar, für Chile seit 1986, für die osteuropäischen OECD-Staaten seit Anfang der 90er.

Um meine Recherche zu vereinfachen, betrachte ich keine Quartalszahlen, sondern nur Jahreszahlen. Schrumpft das BIP von einem Jahr auf das andere, gilt das für mich als Rezession. Außerdem schließe ich die vier kleinen Staaten, die Mitglied der OECD sind, aus.

Mit den Daten der OECD konnte mein Libre-Office-Programm also 1131 jährliche Wachstumsraten für 30 reiche Staaten von 1971-2011 berechnen. Wie viele davon waren negativ, deuteten also auf eine Rezession hin? 50? 100? 150?

Es waren 138. Rein statistisch herrscht also in den OECD-Ländern jedes achte Jahr eine Rezession. Ein Bürger eines OECD-Landes, der 1970 geboren wurde, hat also im Mitel schon mehr als fünf Rezessionsjahre erlebt. Er hat damit mehr Wirtschaftskrisen durchgemacht als Scheidungen.

Für die Bedeutung, die Rezessionen für uns haben, ist es aber auch wichtig, wie lange sie dauern. Ein einzelnes Abschwungsjahr, so ist zu vermuten, lässt sich leichter überbrücken, als wenn drei oder vier hintereinanderkommen.

Wie lange dauerten also die Rezessionen? Dazu ein Diagramm.

Säulendiagramm: 1. Säule für 68 Rezessionen mit einem Jahr Dauer, 2. Säule für 24 Rezessionen mit zwei Jahren Dauer, 3. Säule für 6 Rezessionen mit drei Jahren Dauer, 4. Säule für eine Rezession mit vier Jahren DauerMan sieht, die meisten Rezessionen, nämlich 68, dauerten nur ein Jahr. 24 Rezessionen gingen über zwei Jahre, sechs über drei Jahre. Und es gab nur eine Rezession über vier Jahre hinweg. Welche das war? Griechenland 2008-2011. Nach dem Jahreswechsel 2012/13 wird man noch ein fünftes Jahr anfügen können. Zu vermuten ist, dass Rezessionen nur dann lange dauern, wenn tiefer liegende strukturelle Gründe sie verursachen.

Rezessionen sind also völlig normal und dauern meistens nur kurz. Was folgt daraus?

Für die Politik ist es sinnlos, Rezessionen vermeiden zu wollen. Insbesondere Konjunkturprogramme sind sinnlos, wirken sie doch in der Regel erst, wenn die Rezession schon wieder vorüber ist. Besser als direkt Beschäftigung zu schaffen ist, die Beschäftigten für den Fall einer Rezession abzusichern. Ein großer Erfolg in dieser Hinsicht war das verlängerte Kurzarbeitergeld in Deutschland während der Wirtschaftskrise 2009.

Für den Anleger bietet der dauernde Wechsel zwichen Auf- und Abschwung Gelegenheit zu antizyklischen Investments.


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12 Kommentare

  1. Staatliche Konjunkturprogramme dürften oft zum falschen Zeitpunkt wirken, das ist richtig, jedoch hätte die aktuelle Rezession durch effektivere geldpolitische Maßnahmen verhindert werden können. Ein früheres Eingreifen der EZB hätte diesen Abschwung meines Erachtens zumindest milder gestalten können. Dann wären die Sparprogramme in Italien überflüssig gewesen und unnötige Arbeitslosigkeit mit Folgewirkungen auch im Rest der Eurozone hätte es nicht gegeben.

  2. Häschen sagt

    Exakt das hat Österreich gemacht im Jahr als die ‚Krise‘ ankam. Gar nichts, respektive ein paar begleitende Maßnahmen. Das ist auch das beste.

    Aus meiner Sicht ist eine Rezession eher ein Zustand den wir heute mit ‚Depression‘, ‚Stagflation‘ oder ‚Deflation‘ verbinden. Der Begriff Rezession hat sich/wurde gewandelt. Früher sagten die Leute, ‚Das war kein gutes Jahr für die Wirtschaft‘.

    Wenn ein System überhitzt ist, muss man es auskühlen lassen. Die Reinterpretation des Begriffs Rezession kommt eher aus der Finanzierungssicht auf die Volkswirtschaft – BIP als Finanzierungserfordernis. Das ist die Änderung auch seit den 70ern.

    Wer hingegen Formel 1 fährt, der hat das Problem, dass der Motor nicht mehr anspringt. Ein Privatauto auf der Bergstraße während der Fahrt in den sonnigen Süden, läuft der Motor heißt wartet die Familie kurz und fährt weiter, das Meer und Strand sind morgen ja auch noch da. Man kann das Meer nicht zum Berg bringen – Keynes – staatl. Investionen um des Konsums willen und allein dem geschuldet. In ein Geschäft das nicht wächst braucht man im Moment nichts investieren, dann braucht man ein neues im Sinne von ergänzend.

    Die Realwirtschaft bekommt so schnell keine Probleme, es geht wie üblich um die Finanzierung. Anpassungsprozesse finden laufend statt. Das große Business läuft ja stabil weiter.

    Wie der Philosoph schrieb, ‚Auch eine Wirtschaft in der Deflation kann sich erfolgreich das Preisniveau anpassen oder andere Korrekturen vornehmen‘, so hätte ich einen seiner Kommentare (Artikel zu den Grenzen des Wachstums) verstanden.

    Sinkende Preise sind ja auch gut, wenn die Struktur sich verbessert – Der Bodybuilder, der seine Muskeln aufpumpt zum Zwecke des Posings schaut für den ein oder anderen beeindruckend aus, für die Praxis reichen ganz normale Muskeln antrainiert ohne ‚Ergänzungsstoffe‘ – reicht Gemüse und Fisch. Heute ist eine Rezession eher vergleichbar, jemand mit Armions aufgepumpt ist, damit Wasser hält und in die Sauna geht. Dann wird die vermeintliche Substanz überproportional schnell und stark abgebaut im Vergleich.

    Blöd für die Staatschuldenquote und deren Definition lt. Maastricht. Die Güterversorgung bricht so schnell nicht zusammen.

    Hängt auch ein wenig damit zusammen BIP/Kopf als Reichtum einer Volkswirtschaft angesehen wird, das mag schon sein. Ein wachsendes BIP hängt auch mit konkurrenzfähigen Preisen und Strukturen zusammen, der nächste Blick wäre auf die Leistungsbilanz. In dem Sinne ist es nicht falsch – aber Reich im Sinne von Nachhaltigkeit ist nicht der, der das größere Finanzierungserfordernis per capita aufweist. Wir werden nicht Reicher wenn wir wachsen, wir brauchen immer mehr Aminos.

    Es hilft nichts in der Sauna Aminos zu konsumieren, woher soll das Wasser kommen das gespeichert werden soll. Aus der heißen Umgebungsluft … wohl kaum.

  3. Wirtschaftswurm sagt

    @Makrointelligenz,
    das sehe ich natürlich anders. Vor allem glaube ich, dass Geldpolitik, solange die Bankenkrise nicht beendet ist, nur wenig Einfluss auf die Realwirtschaft hat. Einzig ein Austritt der Problemländer aus der Eurozone hätte die Rezession zwar nicht vermeiden, aber doch verkürzen können.

  4. Pingback: Kleine Presseschau vom 21. November 2012 | Die Börsenblogger

  5. Mindtrap sagt

    „Für die Politik ist es sinnlos, Rezessionen vermeiden zu wollen.“ – Kein Kommentar, sondern nachgefragt: Was bedeutet das für die Arbeitsmarktpolitik, also die Ausgestaltung von Sozialversicherungssystemen und das Handling von Arbeitslosen?

  6. Wirtschaftswurm sagt

    @Mindtrap,
    da müsste man noch einmal drüber nachdenken. Ich bin schon dafür die Folgen einer Rezession für die Menschen abzumildern. Arbeitslosenunterstützung oder Kurzarbeitergeld helfen da. Wenig sinnvoll sind reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Da ist es billiger, ich gebe den Arbeitslosen das Geld direkt. Durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kann ich eine „normale“ Rezession auch nicht abkürzen. Ausnahmen bestätigen da die Regel.

  7. Mindtrap sagt

    Ich dachte mir, dass das in diese Richtung läuft.

    Also erstens sind Konjunkturprogramme nicht erfolglos, weil sie erst wirken wenn die Rezession vorüber ist, sondern weil über eine rezessionsbekämpfende Konjunkturpolitik in der Demokratur nicht beim Anzeichen einer Rezession nachgedacht wird, sondern wenn der blindeste Wähler auf Begriffe wie „Seitwärtsbewegung“ und „Negativwachstum“ nicht länger herein fällt.

    Zweitens wird die Unwilligkeit über eine sinnvolle Konjunkturpolitik immer mit monetären Begründungen abgebügelt. Hier wird der Keynes stets missbraucht, wenn man ihm das Nichtausgleichen der Haushalte in besseren Zeiten anlastet, als ob die Politik damit nichts zu tun hätte. Ich will aber eher auf nichtmonetäre Konjunkturpolitik hinaus. Stichworte: Patentunwesen (viel zu lange Laufzeiten, viel zu restriktiv, viel zu viele Trivialpatente wie zuletzt das Apple-Patent auf die digitale Darstellung des Umblätterns), Bildungsgerechtigkeit (geht zum Nulltarif, nicht zu verwechseln mit Chancengleichheit), strukturelle Reformen im Tarif- und Sozialwesen oder Einführung diverser Standards in der Umwelt- und Klimapolitik (sinnvolle, also weder Glühlampenverbot noch Häuslebauer-Dämmungsquark, sondern Umorientierung in Richtung cradle-to-cradle). Da ist jede Menge Luft zum Nulltarif drin.

    Ach ja, und dann bzgl. Arbeitsmarkt Berufschulen für 35-40jährige, soziale Mindestsicherung nach dem Arbeitslosengeld ohne Sanktionierungsmöglichkeiten damit sich jene strecken müssen und werden, die das auch auch können. Flächentarife, damit Kapazitäten nicht in Branchen gelenkt werden, die ohne Spassentlohnung gar nicht existieren könnten. Synchronisationsverbot für die Leiharbeit.

    Und so weiter. Da ist viel Luft im System. Ein Ist-wie-es-ist wie in dem Post ist mir da aber definitiv zu wenig. Bzw. ein Abheben auf eine rein finanzielle Konjunkturpolitik.

    Habe fertig… 😉

  8. Wirtschaftswurm sagt

    Unter Konjunkturpolitik verstehe ich Maßnahmen, die die Schwankungen zwischen Boom und Rezession verringern. Die von dir aufgeführten Maßnahmen mögen ja zum Wachstum beitragen (oder auch nicht, einige von dir genannten Maßnahmen sind reine Sozialpolitik), sie würden aber sowohl im Boom als auch in der Rezession zum Wachstum beitragen. Und damit verringern sie nicht die Schwankungen zwischen Boom und Rezession. Sie sind also keine Konjunkturpolitik, auch wenn sie das Wachstumsniveau insgesamt erhöhen. Konjunkturpolitik könnte man mit diesen Maßnahmen nur machen, wenn man sie gezielt in der Rezession einführt. Da hat man dann aber wieder wie bei klassischen Konjunkturprogrammen das Problem der verzögerten Wirkung. Dieses Problem ist bei solchen Strukturmaßnahmen sogar noch größer als bei klassischen Konjunkturprogrammen.

  9. PotzBlitzDonner sagt

    Ich frag mich ob es für ein Exportland wie Deutschand natürlich Vorteile bringt wenn man in der Rezession Konjunkturprogramme hochfährt, aber diese Vorteile zum Nachteil anderer Nationen geht. Wenn alle anderen Nationen ebenfalls entsprechende Konjungturprogramme starten veringert sich unter umständen der eigene Vorteil und der Gesamtnutzen aller Nationen wird dadurch zum Teil oder langfristig auch vollständig egalisiert ?

  10. Wirtschaftswurm sagt

    Ein Teil der Gelder eines Konjunkturprogrammes wird auch immer für Produkte aus dem Ausland verwendet. Insofern hat das Ausland Vorteile davon, wenn Deutschland ein Konjunkturprogramm fährt.

  11. Die Politik reagiert auf wirtschaftliche Entwicklungen bei uns hysterisch. Man kann das kaum ertragen. Du hast recht: Rezessionen sind völlig normal (siehe zum Beispiel Schumpeter). Die Rezession ist eine Phase des Konjunkturzyklus, und der Zyklus dreht sich weiter.

    Wenn unsere Politiker wüssten, dass es nach der Rezession noch eine Depressionsphase zu geben pflegt, wären sie noch hysterischer…

    Dein letzter Satz ist natürlich der eigentlich interessante. 😉

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