Zehn Blogger haben an der Blogparade zum Thema „Grenzen des Wachstums“ mit elf Blogartikeln teilgenommen. Das ergab eine kontroverse Diskussion mit sehr vielen unterschiedlichen Perspektiven.
Zum Einstieg eignet sich gut der Artikel der Ökonomischen Nackenstütze. Sie führt den grundlegenden Unterschied zwischen möglichen Faktoren auf der Angebots- bzw. Produktionsseite und möglichen Faktoren auf der Nachfrageseite ein, die beide zukünftiges Wirtschaftswachstum begrenzen können. Die größeren Probleme sieht die Nackenstütze dabei auf der Angebotsseite und verweist auf ökonomische Vordenker wie Schumpeter, Baumol und Solow. Insgesamt gibt sich Nackenstütze aber optimistisch.
Ähnlich systematisch packt der Wirtschaftsphilosoph das Thema an und geht mögliche wachstumsbegrenzende Faktoren durch. Die größten Probleme seien „nicht bei den Ressourcen zu erwarten, die am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, sondern bei den Abfällen am Ende, die zu großen Teilen immer noch ‘umsonst’ in der Umwelt ‘entsorgt’ werden.“ Stichwort Kohlendioxid und Klimawandel.
Das ist auch das Thema von Alien Observer, der ansonsten das Miesmacherimage der Wachstumskritiker beklagt: „Was wir Kritiker aber verlangen, ist, dass die unangenehmen Fragen gestellt werden die sich die Ökonomen oder Wirtschaftspolitiker offenbar nicht stellen wollen.“ Einen direkten Kontrapunkt dazu setzt Acemaxx. Der sieht Wachstum als Ausweg aus der aktuellen Schuldenkrise und meint: „Es ist nicht der Zeitpunkt, über die Grenzen des Wachstums zu diskutieren.“
Aber findet sich nicht immer irgendein Grund, um nicht über Unangenehmes diskutieren zu müssen? Ja, die meisten lesen wohl eine Eloge an die menschliche Kreativität, wie sie Mathias für die Blogparade geschrieben hat, lieber als Wachstumspessimismus. Meiner Meinung nach sind aber beide wichtig, Pessimisten wie Optimisten; erstere, um die Probleme zu erkennen, letztere, um zur Problemlösung zu motivieren.
Sehr optimistisch ist z.B. Hans Bentzien. Unter dem schönen Titel „Der Mensch als Wachstumswundertüte“ schreibt er z.B.: „Die Menschwerdung ist noch nicht am Ende. Wir setzen auf Klasse statt Masse, auf Genuss statt Krieg und Schlachteplatte.“
Bentzien beschäftigt sich also vor allem mit der Nachfrageseite des Wachstums. Indem er auf neu entstehende Qualitätswünsche hinweist, geht er direkt gegen Vorstellungen an, Wachstum sei nur „Immer mehr vom Gleichen“. Der beeindruckende Trailer von „Taste the Waste“ zeigt in der Tat: ein reines „Immer mehr vom Gleichen“ wird irgendwann sinnlos (und ist es manchmal schon heute).
Andreas Plecko wie auch Patrick Seabird sehen in ihren Blogartikeln aber das gewünschte Mehr an Lebensqualität gerade nicht im Materiellen. Insofern erschöpfe sich der Bedarf an Wachstum. Wachstum befördere nicht das Allgemeinwohl, sondern nur Einzelinteressen, so Patrick Seabird. Wenn er die Rolle des Zinssatzes anspricht, muss ich allerdings fragen: Ergibt sich Wachstum nur aus der Notwendigkeit, Zinsen zu zahlen? Oder ergibt sich nicht eher der Zinssatz aus den Möglichkeiten, die das Wachstum schafft, und wird entsprechend durch Angebot und Nachfrage begrenzt?
Sind die niedrigen Wachstumsraten der letzten Jahre und Jahrzehnte bereits ein Zeichen für Grenzen der Wachstums? Diese Frage stellt Patrick Bernau und verneint sie.
Schließlich beleuchtet Dirk Elsner im Blicklog einen ganz anderen Aspekt der Grenzen des Wachstums, wenn er die Grenzen des Wachstums für Unternehmen anspricht.
Wenn Bernau und andere meinen, das Wachstum käme aus der Innovation, dann ist das genau so lächerlich falsch, wie die Hoffnung auf den Weihnachtsmann. Der bringt nämlich auch nur was, wenn der Opa oder die Tante genügend Geld in der Tasche haben, um den Weihnachtsmann zu spielen.
Die Wachstumsraten gehen ja auch nicht am Kapitalmarkt zurück. Da wird gezockt auf Teufel komm raus, weil man glaubt, die Realwirtschaft bringt sowieso nichts. Daran erkennt man, dass unser ganzes Wirtschafts- und Wachstumsmodell auf dem Kopf steht. Man hat jahrelang gepredigt, Lohnverzicht und der Abbau des „teuren“ Sozialstaates sei der Königsweg zum Erfolg.
Die geläufige Behauptung, dr Sozialstaat bedürfe des Wachstums, nur bei Wachstum lasse sich etwas verteilen, gründet auf dem Denkfehler, das Verteilungsergebnis sei das Ergebnis kollektiven Handelns und wenn das Wachstum bei Null liege, dann sei quasi ein Stoppschild für Verteilungsvorgänge und Verteilungsentscheidungen aufgestellt. Dass das ziemlich schief ist, so zu argumentieren, haben uns in anderer Richtung die herrschenden Kreise (Kapitalbesitzer etc.) vorgeführt. Sie haben trotz stagnierender Wachstumsraten in den letzten 15 Jahren die Einkommensverteilung deutlich zu ihren Gunsten verändert. Also ist Wachstum etwas affirmatives, das es nach wie vor zu verteidigen und zu verteilen gilt. Und zwar in die andere Richtung durch eine entsprechende Veränderung der Einkommensteuertabelle wie auch durch eine Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine echte Erbschaftssteuer die Verteilung von Vermögen und Einkommen zu verändern. Auch bei stagnierender realwirtschaftlicher Wachstumsrate, die im Übrigen nicht Folge der sozialen Sicherungssysteme, sondern Ergebnis eines weltweiten Kostendumpings ist, das andererseits in der Aufblähung des Finanzsektors mit all seinen schlimmen Folgen sein klägliches Ende (s. Europa) findet.
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„Oder ergibt sich nicht eher der Zinssatz aus den Möglichkeiten, die das Wachstum schafft, und wird entsprechend durch Angebot und Nachfrage begrenzt?“
Vielleicht wäre das in der idealen Welt der theoretischen Modellökonomie so. Aber ob das Gleichgewichtsmodell der Mikroökonomie irgendetwas mit der Realität gemein hat ist fragwürdig.
Anscheinend haben diejenigen, die meinen über den „Anspruch“ auf Zinsen zu Verfügen, die Macht ihre Interessen durchzusetzen. Dies geschieht bei stagnierendem Wachstum auf Kosten von Ansprüchen anderer, die ebenfalls an den Erlösen der Produktivität beteiligt werden wollen, den Lohnempfängern (und Sozialhilfeempfängern, Staatsangestellten etc.).
Da sind wir gleich am alles bestimmenden Knackpunkt der Wirtschaftspolitik. Mit ungeheurem Druck wird der Lohnverzicht und der Sozialabbau über die Austeritätspolitik durchgesetzt.
Ziel dieser Politik ist es eben NICHT Zinseinbussen oder Kreditausfälle hinnehmen zu müssen obwohl die schwache Konjunktur dies den Kreditgebern abverlangen müsste.
Meinungsführende Ökonomen versuchen dies zu Verteidigen, obwohl es doch den Grundsätzen wirklich freier Marktwirtschaft widerspricht.
Hier herrscht offensichtlich keinerlei Gleichgewicht mehr sondern Beeinflussung der Politik (und der beratenden Ökonomen).
@Alien Observer,
okay, in einer nicht-idealen Welt ist der Zinssatz häufiger zu hoch und schießt über. Das muss dann wieder ausgeglichen werden und faktisch wird es ausgeglichen durch Pleiten und Insolvenzen. Einige können Schulden und Zinsen nicht wieder zurückzahlen. Das ist in einer Marktwirtschaft normal und in einer sozialen Marktwirtschaft sollte es kein Beinbruch sein. Das Problem fängt aber wirklich erst da an, wo Pleiten und Insolvenzen dank Interessenpolitik verhindert werden. Aktuell also besonders bei den Banken. Insofern sind wir beide uns wohl einig, während Patrick Seabird das Problem schon vorher sieht, bei den Zinsen.
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Ich sehe hinter diesem Problem mehr als eine Ausnahme von der Regel. In der realen Welt existieren Machtstrukturen die mit der Akkumulation von Vermögen zusammenhängen und diese sind es die unsere Politik und unser Wirtschaftssystem weitestgehend bestimmen.
Patrick Siebert hat durchaus recht, diese Akkumulation von Vermögen hängt auch mit der exponentiellen Entwicklung von Vermögen durch den Zins, oder genauer durch den Konsumverzichtsanteil des Zinses, zusammen. Dieser verursacht, dass sich Zinsausfälle, Inflation und Zinsgewinne nicht gegenseitig Nivellieren sondern es über alle Vermögen immer zu einer exponentiellen Vermehrung von Vermögen kommt.
Georg Trappe nennt das Zusamenspiel von Woirtschaft, Macht und Geld, „das Fettaugen syndrom“. http://fettaugensyndrom.blogspot.de/
Diese „Fettaugen“ sorgen dafür, dass ein Gleichgewicht sich niemals einstellen wird.
Ab dem Moment in dem das Wachstum nicht Schritthält mit dem Vermögenswachstum verändert sich die Gesellschaft. Vermehrung des Reichtums kann nur noch durch vermehrung von armut geschehen. Die „Fettaugen“ (beileibe nicht nur die Banken) sind in der Lage den Staat in ihrem Sinne zu beeinflussen. Der Staat wird dazu gedrängt sich mehr und mehr von sozialen Aufgaben zurückzuziehen und wird vornehmlich zum Organ der Verteidigung von Vermögen und Ausbeutung.
Um so weiter der Prozess voranschreitet, um so Aggresiver muss diese Verteidigung des Eigentums betrieben werden.
Es ist nicht so, dass die Ökonomen nach denen wir unsere Wirtschaftspolitik ausrichten dass nicht genau so sehen.
»Eine freie Gesellschaft benötigt moralische Bestimmungen, die sich letztendlich darauf zusammenfassen lassen, dass sie Leben erhalten: nicht die Erhaltung aller Leben, weil es notwendig sein kann, individuelles Leben zu opfern, um eine größere Zahl von anderen Leben zu erhalten. Deshalb sind die einzigen wirklichen moralischen Regeln diejenigen, die zum »Lebenskalkül« führen: das Privateigentum und der Vertrag«
– Friedrich August von Hayek, im Interview mit der Zeitung »El Mercurio« in Santiago/Chile 1981
Die Vermutung liegt nahe, dass es Ziel neoliberaler Wirtschaftspolitik ist, Ausbeutung der Menschen durch wenige sehr Reiche zu ermöglichen und Demokratie und Solidarität dafür zu Opfern. Chile in den 80ern ist ein gutes Beispiel wo die Reise hingeht.
Wir sind uns ja einig, dass in der Theorie der Zinssatz auf einen Rückgang des Wachstums reagiert. Wenn ich euch richtig interpretiere, greift allerdings die Politik ein, um den Zinssatz künstlich hochzuhalten. In welcher Form geschieht das denn? Ich sehe da keine Theorie und keine Belege.
„In welcher Form geschieht das denn? Ich sehe da keine Theorie und keine Belege.“
Andersherum wird ein Schuh draus. wenn ich in der Wissenschaft ein Modell (wie die Microökonomie) veröffentliche, dann muss dieses Modell auch die Realität wiederspiegeln und zutreffende Prognosen zulassen.
Versagt dieses Modell in beiden Ansprüchen ist es ungenügend und muss aufgegeben werden. Statt dessen wird Krampfhaft auf diesen Modellen beharrt und Politik die darauf beruht umgesetzt.
Seit fast 10 Jahren stagniert das Wachstum. Logischerweise sollte dann nach Ihrer Logik das Wachstum der Vermögen abnehmen, dies geschieht nicht. Das Genaue gegenteil ist der Fall.
Die Erkenntnis, dass vor allem die interessen der Hochfinanz vertreten werden kann nicht nur in Kreisen der Kritiker aufgekommen sein. Ist diese Erkenntnis auch in der politischen Ökonomie vorhanden muss Absicht unterstellt werden.
Zitat Joseph Stiglitz zu Naomi Kleins Buch Schock Doctrine:
„Klein is not an academic and cannot be judged as one. There are many places in her book where she oversimplifies. But Friedman and the other shock therapists were also guilty of oversimplification, basing their belief in the perfection of market economies on models that assumed perfect information, perfect competition, perfect risk markets. Indeed, the case against these policies is even stronger than the one Klein makes. They were never based on solid empirical and theoretical foundations, and even as many of these policies were being pushed, academic economists were explaining the limitations of markets — for instance, whenever information is imperfect, which is to say always. „
Aus der Zinsdiskussion halt ich mich raus. Aber unser Herr Schulmeister hat etwas zu dem Thema geschrieben … Das ist etwas Off-Topic, aber möglw. interessiert es den ein oder anderen Besucher.
http://stephan.schulmeister.wifo.ac.at/fileadmin/homepage_schulmeister/files/ZinssatzInvestDynamikStaatsverschuldung.pdf
Ich habe zum Zins eine andere Haltung. Wozu? Mir scheint verdächtig, dass soviele Leute unterschiedlichste Erklärungen dafür bieten wozu der Zins nützlich sein soll und mit absurdesten Argumenten seine Existenz wird gerechtfertigt. ‚Kosmologische Konstante‘. Zeigt ja eindeutig, dass sich keiner was dabei gedacht hat als der Zins eingeführt wurde, … nicht im Sinne von volkswirtschaftlicher Nützlichkeit. Die die ihn verlangten dachten sich wohl etwas dabei.
Sie ‚brauchen‘ den Zins um Wachstum, das schon gewachsen ist zu stabilisieren, aber nicht umgekehrt.
‚Geld‘ ist ja nichts anders, vermutlich wiederhole ich mich, als ein vager Anspruch in Zukunft Güter zu einem nicht festgelegten Preis aus der Realwirtschaft abzurufen (im breiten Sinne).
Wäre der Zins nützlich, dann sollten die Banken ja mehr Zins auszahlen als einnehmen. Oder machen wir fließendes Geld und sagen der Bank – wir wollen Zinsen wie bisher kassieren. Dann sind die Banken in der selben Position wie die Realwirtschaft heute.
Eine Sache muss ich jetzt noch loswerden.
Wird Politik beeinflusst wie oben beschrieben?
(Beweise für den Einflus auf die Politik, Abbau von Solidarität etc.)
Ich kann mich ja täuschen, und es gibt irgendeinen anderen Grund, aber die „Überarbeitung“ des Armutsberichts durch Wirtschaftsminister Rösler kann ich mir beim besten willen nicht anders erklären.
Aber Beweise in der Wissenschaft zu verlangen ist ohnehin fragwürdig. Die Wissenschaft kennt die Beobachtung und die Falsifizierung. Ich kann ziemlich gut jeden Tag Beobachten wie die Politiker zu Hampelmännern der Banken verkommen und es ist ziemlich deutlich, dass es einige Theorien der Volkswirtschaft gibt wo man nochmal nacharbeiten muss. Jedenfalls ist nicht zu beobachten, dass ohne Wachstum Zinsgewinne zurückgehen.
Ich muss die Theorie die zu dieser Beobachtung passt (zum Glück) nicht Liefern, sondern die Ökonomie. Vielleicht fällt es dieser nur deshalb so schwer weil man sich dann von all der geliebten Mathematik trennen müsste und zugeben, dass man vielleicht doch nur eine Geisteswissenschaft ist wie alle anderen.
@Häschen
Interessanter Text, der meine Vermutung ebenfalls offen Ausspricht:
„Aus diesen Gründen muß die gesamtwirtschaftliche Investitions- und Sparquote bei einem positiven Zins-Wachstums-Differential niedriger sein als bei einem negativen. Dies dämpft wiederum das Angebotswachstum, sei es, weil der Kapitalkoeffizient (annähernd) konstant ist, sei es, weil sich das System auch bei Gültigkeit einer neoklassischen Produktionsfunktion nicht im „steady state“ befindet („akkomodiert“ wird die Angebotsentwicklung durch die Dämpfung des Nachfragewachstums infolge der Umverteilung zugunsten der Zinseinkommen und damit der Haushalte, sowie innerhalb dieses Gläubigersektors zugunsten der Rentiers, also jener Haushalte, die den Großteil der Finanzvermögen halten). “
Ich sehe die Ursache in den Machtunterschieden innerhalb der Gesellschaft, die „Rentiere“ (weil Weihnachten ist) verdienen immer, und zwar weil sie es können.
Die Schwachen verlieren, weil sie sich nicht wehren (können?).
@Häschen, es geht mir natürlich nicht um den Zins sondern um Kritik am Wachstumskapitalismus.
Naja, AlienObserver, zum Falsifikationismus hat jüngst der Wirtschaftsphilosoph einen guten Blogbeitrag geschrieben: Es ist nicht immer sinnvoll, eine scheinbar widerlegte Theorie sofort aufzugeben, z.B. wenn man gar keine andere Theorie hat.
Es ist ja richtig, dass politische Maßnahmen die Ungleichverteilung begünstigt haben, genauso haben auch Globalisierung und technische Entwicklungen dazu beigetragen. Aber wie und wann hat denn jetzt die Politik die Zinsen manipuliert?
Da bleibt mir aber die Spucke weg.
Die Wissenschaftstheorie ist das wichtigste Werkzeug des Erkenntnisgewinns des Menschen und ist wahrscheinlich die größte Errungenschaft des menschlichen Geistes.
Die Wissenschaftstheorie, mit ihren formalen Heuristiken, hat es uns erlaubt über die Grenzen von Zeit, Geographie, Sprache und Kultur über Erkenntnis friedlich zu Kommunizieren, anstatt uns in Ideologischen Streitereien die Köpfe einzuschlagen. Sie hat uns erlaubt Ideologien zu durchbrechen und Fanatismus und Aberglauben zu überwinden.
Mit ihr kam die Aufklärung. Die Wissenschaftstheorie erlaubte uns die „Gottgegebene“ Herrschaft der Monarchie in Frage zu stellen und nach der Legitimation der Herrschaft zu fragen. Diese Frage ist die die Ich stelle.
Da aber die eigenen modele der Falsifikation nicht Stand halten wirft man also die Wissenschaftstheorie über Bord.
Tut man das, ist man automatisch zu Aberglauben und Ideologie mutiert. Mit der Verachtung der Wissenschaftstheorie bereitet man den Weg zurück in die Barbarei.
Zur Frage nach dem Zinssatz. Niemand „Manipuliert“ den Zins nach oben. Es wird aber mit aller Macht und Staatlicher und Wirtschaftlicher Gewalt in den Ländern wie Griechenland etc. dafür gesorgt das die Zinsgewinne wie bisher fliessen.
Man tut das unter Aufgabe der legitimation der Macht und Demokratie. Menschen krepieren um die Forderungen der Troika zu begleichen. Da Fragen Sie nach Beispielen der Manipulation?
„wenn man gar keine andere Theorie hat“ sollte man vielleicht schauen ob jemand anders eine Theorie hat.
Die Ökonomische Anthropologie hat durchaus Erklärungsansätze die die realität abbilden und Vorhersagen zulassen, sie sind den (sinnlos mathematischen) Modellen der Ökonomie also offensichtlich überlegen.
Sie werden aber von der Ökonomie ignoriert, da sie keine Theorien der Ökonomie sind.
Die Theorie, dass Ökonomie letztendlich keine Wissenschaft ist sondern eine von eliten gersteuerte Pseudowissenschaft die die Legitimation für die Bereicherung weniger und die Ausbeutung der erde und der Mehrheit ihrer Bewohner beschreibbt meines Erachtens meine Beobachtungen sehr gut und lässt auch Prognosen für die Zukunft zu.
Siehe meinen Blog Beitrag hier:
http://derblickausderferne.blogspot.de/2011/05/die-krise-der-okonomie-die-krise-der.html
Sie als Ökonom müssen sich Fragen auf welcher Seite sie stehen, der Wissenschaft oder der bezahlten Ideologie.
Beispiel für Wissenschaft über Wirtschaft ausserhalb der Ökonomie:
Keith Hart „The Memory Bank“
http://thememorybank.co.uk/book/
Zitate:
http://thememorybank.co.uk/2007/11/09/a-short-history-of-economic-anthropology/
Economic anthropology is the product of a juxtaposition of two academic disciplines in the twentieth century. It would be wrong to speak of the relationship between economics and anthropology as a dialogue. From the beginning, economists in the ‘neo-classical’ tradition have rarely expressed any interest in anthropology and none at all during the last half-century, when their discipline has become the dominant ideological and practical arm of global capitalism.
The field has not lacked works of synthesis in recent decades. John Clammer (1978) had already announced The New Economic Anthropology; Sutti Ortiz’s (1983) collection inaugurated the Society for Economic Anthropology; Stuart Plattner’s (1983) review reflected an American anthropology still strongly linked to the formalist tradition; Rhoda Halperin (1988) considered both formalist and institutionalist approaches in aiming for ‘a comparative science of the economy’; Richard Wilk (1996) is also sympathetic to the cultural turn; while Susana Narotsky (1997) draws on a wider exposure to both Marxist and South American literature. Friedland and Robertson’s Beyond the Marketplace: rethinking economy and society (1990) is an important antecedent for the present volume. Several of the most dynamic currents in contemporary anthropology – such as feminism (Moore 1988) and indigenous knowledge systems (Richards 1985) – have evident implications for the way we think about economy. Finally, James Carrier has recently edited an admirably comprehensive Handbook of Economic Anthropology (2005), the premise of which would be familiar to Firth and Herskovits: anthropologists are still trying to reach economists with their findings. Who knows if any are listening out there?
Ohne im Speziellen auf die Diskussion in den obigen Kommentaren einzugehen:
„Ergibt sich Wachstum nur aus der Notwendigkeit, Zinsen zu zahlen?“
Nicht nur, denke ich, und ich habe auch versucht, in meinem Artikel es so darzustellen.
Wachstum ergibt sich auch aus dem Wunsch, dass es meinen Kindern einmal besser geht als mir. Und dieses „besser“ ist halt oft materiell gesehen.
Aber dadurch, dass unser Geld durch Kredit in Umlauf kommt, und dieses Geld wiederum mit Zinsen aus einem anderen Kredit zurückgezahlt werden muss, ist jeder Unternehmer gezwungen, monetär gesehen zu wachsen. Jeder versucht, dieser Entschuldung zu entgehen und das, indem er mehr verdient, also mehr verkauft, also mehr produziert. Auch wenn man nicht verschuldet ist, werden diese Zinsen fällig, weil sie ja auch über die Preise abgewälzt werden. So gesehen sehe ich den Zwang zum Wachstum in unserem Geldsystem inhärent.
„Wachstum befördere nicht das Allgemeinwohl, sondern nur Einzelinteressen, so Patrick Seabird.“
Wachstum kann schon auch das Allgemeinwohl befördern. Doch was ich mit „Sowohl BIP, als auch Inflationsberechnung scheinen vielmehr politisch gewählte Zahlen zu sein, um Privatinteressen auf gesellschaftspolitischer Ebene durchsetzen zu können. “ sagen wollte ist, dass Zahlen, die das Wirtschaftswachstum anzeigen sollen, meist subjektive Komponenten in ihrer Berechnung enthalten. So beschreibt zb. Norbert Häring in seinem Buch „Markt und Macht“, wie die Berechnungsmethode des BIPs jedes Jahr (!) verändert wird und zwar in den meisten Fällen zu Gunsten einer höheren dargestellten Wachstumsrate der USA! Nicht die Wachstumsrate wird missbraucht, sondern die Darstellung derselben!
lg
„Ohne im Speziellen auf die Diskussion in den obigen Kommentaren einzugehen“
Welche Diskussion? Irgendwie scheint mir die Diskussion im enstehen abgestorben zu sein.
Warum eigentlich?
@AlienObserver,
Ihr Link zur anthropologischen Ökonomie war der Diskussionskiller. Da hatte ich mir gedacht, das musst du lesen, bin aber nie dazu gekommen. Drum sag ich jetzt noch mal was zur Wissenschaftstheorie: Die ist nun seit Popper auch nicht stehengeblieben. Die klare Falsifikation einer Theorie ist nicht so einfach, wie Popper sich das vorgestellt hat. Wenn die Theorie besagt, 90% der Schwäne sind weiß, 10% aber schwarz, so kann man die Theorie erst dann vollkommen eindeutig widerlegen, wenn man tatsächlich alle Schwäne auf der Welt untersucht. Weil man aber gar nicht weiß, wie viele Schwäne es gibt, weißt man gar nicht, wann man mit der Untersuchung fertig ist.
Zumindest meine Theorie besagt nicht, dass Märkte immer perfekt funktionieren. Das wäre in der Tat schon lange widerlegt. Meine Theorie besagt, dass Märkte in den meisten Fällen besser funktionieren als alternative Koordinierungsinstrumente der Wirtschaft. Diese Theorie ist nicht widerlegt.
@Patrick Seabird,
mein Vorwurf an dich ist, dass du gar keine Zinstheorie hast, keine Theorie darüber, wie der Zinssatz sich bildet, warum er mal höher, mal niedriger ist. Bei dir wird der Zinssatz von Außerirdischen auf die Welt geworfen (ich überspitze jetzt) und dann müssen sich alle Wirtschaftssubjekte ihm anpassen. Diesen Vorwurf kann man übrigens an alle Zinskritiker machen, soweit ich sie kenne. Ihre Theorien sind eklatant unvollständig.
@Wirtschaftswurm:
Danke für die Antwort. Ich kann den Text von Keith Hart wirklich empfehlen.
Meiner Ansicht nach bereichert die Anthropologie durch ihre bemüht objektive Sichtweise das Denken ausserhalb eingefahrener Schienen. Dieses bemühen um Objektivität ist auch was die Ökonomie von der Anhtropologie (wieder) abschauen könnte.
Wenn man sich von den strengen Heuristiken der Falsifikation entfernt muss man sich besonders bemühen eine Glaubwürdige Herangehensweise an dieses allgemeine (und laut Kant unlösbare) Problem aller Menschenwissenachaften zu liefern.
Der Mathematische Formalismus allein genügt nicht um sich vom Vorwurf der Subjektivität frei zu machen, im Gegenteil. Gerade in der Ökonomie beruhen die formalen Ansätze auf als Subjektiv zu bewertende Annahmen. Nicht umsonst tobt der Methodenstreit seit Jahrzehnten.
Ich komme aus der Physik. In der Physik dient die Mathematik als Sprache um über Sachverhalte zu sprechen für die unsere Sprache allein nicht ausreicht. Für die Problem der Quantenmechanik ist unsere Sprache einfach nicht ausreichend. Die Physik versucht aber mit so wenig Mathematik wie möglich auszukommen um dann ihre Ergebnisse auch in Prosa darstellen zu können.
Mathematik sollte als Sprache meines erachtens am besten da eingesetzt werden wo sie der Kommunikation förderlich ist. Der Grundsatz „so wenig Mathematik wie möglich“ wird in der Ökonomie nicht eingehalten.
Die Benutzung der Mathematik aber führt nicht immer zu besserer Kommunikation sondern macht oft Arbeiten der Ökonomie unzugänglicher, obwohl für die Darstellung der behandelten Probleme normale Sprache ausreichen würde.
Die Mathematik der Ökonomie vereinfacht häufig Probleme die Physiker als zu dynamisch oder chaotisch ansehen würden um sie konkret mathematisch zu modellieren. Sie liefert dann auf Basis dieser subjektiven Annahmen ausufernde Formelgbäude als Modelle.
Die eingesetzte formale Mathematik erzeugt unter Umständen nur einen Anschein der Wissenschaftlichkeit.
Wer Mathematik einsetzt, muss sich gerade über die Vorbedingungen sehr bewusst sein. Dieses Bewusstsein über die Randbedingungen, denen in der Physik wahrscheinlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als den Modellen selbst, fehlt in den formalen Ansätzen der Ökonomie wie sie im Studium vermittelt werden.
Modelle die sich formaler Methoden bedienen die auf subjektiven Annahmen beruhen und dann der Falsifikation nicht stand halten sind meiner Ansicht nach nicht ausreichend wissenschaftlich und sollten über Bord geworfen werden. Besser keine Mathematik als falsche.
„Meine Theorie besagt, dass Märkte in den meisten Fällen besser funktionieren als alternative Koordinierungsinstrumente der Wirtschaft. Diese Theorie ist nicht widerlegt.“
Was sind die meisten Fälle?
Tatsächlich ist das, was sie als die Märkte bezeichnen ein geographischer und historischer Ausnahmefall. Auch hier wieder mein Hinweis zur Anthropologie. Gesellschaften (auch komplexe) haben Jahrtausende ohne diese Form der Märkte oder mit anderen Formen von Märkten funktioniert.
Die Ökonomie bezeichnete diese Gesellschaften in Adam Smiths zeiten gerne als „primitiv“. Anthropologen haben schon länger untersucht und nachgewiesen, dass diese Gesellschaften sich nicht gegen die „Märkte“ (Konkurrenzdenken, Privateigentum, Schulden, inherente soziolae Ungerechtigkeit, Sklaven und Herren usw.) entschieden „weil sie es nicht besser wussten“.
In vielen anthropologischen Untersuchungen zeigt sich, dasss sich in egalitären Gesellschaften Traditionen entwickelt haben die der Entwicklung marktförmiger und egoistischer Strukturen aktiv entgegenwirkten.
Diese Gesellschaften existierten oft über weit längere Zeiträume als die unsere. Ihre Mitglieder waren (oder sind) sich über die Existenz marktförmiger Strukturen durchaus bewusst un entscheiden sich ebenso bewusst gegen sie.
Die Anthropologie bemüht sich um relativistische Gesellschatftsbeschreibungen und verbietet die oft Kulturchauvinistischen Vergleiche zwischen Gesellschaften.
Das Märkte „besser funktionieren“ ist daher eine sehr fragwürdige Theorie die sich in der menschlichen Geschichte überhaupt nicht bestätigt. Bei Betrachtung unserer Gesellschaft sehe ich keinen Grund für diese Annahme.
In ihrer Vermutung höre ich ausserdem heraus, dass „andere“ automatisch gleich dem angeblichen „Sozialismus“ stalinistischer Dikturen sind. Dahinter steckt der immerzu geschürte Mythos, dass wer keinen Kapitalismus will automatisch für einen Satlinismus wäre. Das ist natürlich völliger Blödsinn.
[Malinowski] had spent much of the war in the Trobriand islands, off the coast of Papua New Guinea. These islands were linked by trade to a number of others, creating a regional interdependence which evoked in microcosm the global maritime economy of the day. Malinowski retained and made famous the indigenous term for the social mechanism which made this exchange possible, the kula. His intention was explicit. He wanted to show that a complex system of interlocal trade flourished without benefit of merchants, markets or money and without centralised authority (states). Moreover, this system made sense, even though the natives despised commercial motives and based their conduct on an ethos of generosity in giving. Malinowski’s aim was thus to show that the stereotype of economic man (homo oeconomicus) was not universal; that western notions of civilisation were restrictive, even narrow-minded; and that a fuller conception of rational humanity would include the customs of people who had hitherto been dismissed as “savages”.
Obriger Abschnitt ist ein Zitat aus Keith Harts verlinkten Text und soll die im Kommentar darüber angegebenen allgemeinen Aussagen über Anthropologie mit einem Beispiel erläutern.
Wikipedia über die Kula Rituale:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kula_(Ritual)
Es handelt sich dabei um ein rituelles Gabentausch-System mit verzögerter Reziprozität bei den Bewohnern der Trobriand-Inseln. Getauscht werden zwischen den grob kreisformig angeordneten melanesischen Inseln im Uhrzeigersinn soulava, das sind Halsketten aus kleinen roten Muschelplättchen, in der anderen Richtung (im Mühlensinn) mwali, das sind Armreife aus einem weißen Muschelring. Die einzelnen Ketten und Reife haben sakralen Charakter, je ihre eigene mündlich tradierte Geschichte und müssen nach einer Weile weitergetauscht werden.
Das Wort Kula bedeutet ein rituelles Tausch- und Prestigeobjekt ohne unmittelbaren Nutzen für den, der es bekommt. Mit dem Erhalt geht die Verpflichtung einher, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes dem Gebenden etwas Entsprechendes zu schenken. Die soziale Funktion dieses komplexen, nicht profitorientierten Austauschhandels ist es, die sozialen Bande zwischen den akephal verbundenen Trobriandern zu verstärken und realen Gütertausch rituell zu flankieren. Geber und Nehmer stehen dabei in einer ständigen (erblichen) Position des Gastfreundes zueinander.
Der Anthropologe Bronisław Malinowski hat das Kula-System in seinem Buch Argonauten des westlichen Pazifik 1922 detailliert beschrieben und in den europäischen Sozialwissenschaften bekannt gemacht.
Marcel Mauss hat sich in seinem Werk „Die Gabe“ noch ausführlicher mit dieser komplexen Thematik befasst und interkulturelle Vergleiche über den Geschenketausch angestellt.
Die Erkenntnis von Malinowski, dass es auch Wirtschaften ohne Profit gibt, beeinflusste die gesamte Wirtschaftsethnologie, aber auch das westliche ökonomische Denken.
„mein Vorwurf an dich ist, dass du gar keine Zinstheorie hast, keine Theorie darüber, wie der Zinssatz sich bildet, warum er mal höher, mal niedriger ist.“
Dazu habe ich schon eine Theorie: Zinsen bilden sich, weil sie jemand verlangt und andere sie zahlen. Die Höhe der Zinsen wird genau so wie alle Preise in der Wirtschaft festgelegt: Durch verhandeln, Marktmacht, Konkurrenzdruck, Gewohnheit, Angebot und Nachfrage,…
Ich kritisiere auch nicht den Zins an sich, sondern nur die Entstehung des Geldes als verzinste Schuld. Das geht auch anders, wie z.B. über Warengeld oder wie bei Bitcoin oder Rheingold!
Auf dieses Video bin ich gerade bezüglich Wachstum gestoßen. Finde es wirklich sehenswert:
http://youtu.be/F-QA2rkpBSY
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