Wirtschaftswurm-Blog

War der Euro wirklich so stabil?

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet 2010

Bei der Verleihung des Aachener Karlspreises wurde (es war nicht anders zu erwarten) das Hohelied auf die Stabilität des Euros gesungen – nicht zuletzt vom Preisträger selbst, dem EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet. In seiner Dankesrede sagte er: „In den ersten zwölf Jahren nach der Euro-Einführung betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate 1,97 %. Dieser Wert steht in vollem Einklang mit der Definition von Preisstabilität der Europäischen Zentralbank (EZB): eine Preissteigerungsrate von unter, aber nahe 2 % auf mittlere Sicht.“

Nun, nachts sind alle Katzen grau – und im Durchschnitt sind sie es auch. Ob die Europäer tatsächlich mit dem Euro zufrieden sein können, entscheidet sich nicht an Durchschnittswerten, sondern an der Preissteigerung vor Ort. Schauen wir uns darum die nationalen Zahlen seit Einführung des Euro-Bargeldes (2002) an. Lassen wir die kleinen Länder außer Acht und berücksichtigen nur die mit mehr als 4 Millionen Einwohnern. Das sind zwölf: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien sowie ab 2009 die Slowakei.

Es geht also von 2002-2010 um 101 Daten über die durchschnittliche jährliche Preissteigerung . Wie häufig lag die Inflation im Rahmen des EZB-Zielkorridors, also bei 0,0-2,0 %?

46 Mal wurde das EZB-Ziel eingehalten, mehrheitlich aber, nämlich 55 Mal wurde das EZB-Ziel verfehlt. Am zufriedensten können die Finnen mit dem Euro sein, hier riss die Latte nur 2008. Auch in Deutschland lag die Inflation nur in zwei von neun Jahren über der 2-%-Marke.

Anders sieht es in Irland aus. Seit Einführung des Euros lag die Preissteigerung hier nie innerhalb des EZB-Zielkorridors. 2002-2008 lag die Inflationsrate darüber, 2009 und 2010 hatten die Iren dafür eine Deflation. In Griechenland, Portugal und Spanien wurde das Inflationsziel nur einmal erreicht und auch in Italien nur drei Mal: 2007, 2009 und 2010. Es ist wohl kein Zufall, dass alle heutigen Problemländer schlecht abschnitten.

Gut war der Euro während der Krise 2009/10. Es gab Verfehlungen in jeweils drei Ländern. Miserabel war er allerdings im Wirtschaftsboom davor. 2008 wurde die 2-%-Latte in allen elf betrachten Ländern gerissen. Es gab auch immer wieder hohe Inflationsraten von mehr als 4 %: Belgien 2008, Griechenland 2008 und 2010, Irland 2002, Spanien 2008.

Die Bilanz des Euros ist also sehr durchwachsen. Das ist nur zum geringeren Teil die Schuld der EZB. Ihr muss man allerdings eine zu lockere Geldpolitik vor Ausbruch der Finanzkrise 2007/08 anlasten. (Und auch gegenwärtig ist die Geldpolitik nicht restriktiv genug, zukünftige Statistiken werden es zeigen.) Ansonsten aber sind die Verfehlungen Ergebnis der Fehlkonstruktion einer zu großen Währungszone. Eine europaweit einheitliche Geldpolitik passt häufig für die Situation vor Ort nicht.


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7 Kommentare

  1. Dr. Gonzo sagt

    Ohne jetzt die EZB großartig verteidigen zu wollen, aber ich finde obige Metrik (x mal unter 2%, y mal drüber) nicht wirklich geeignet um den Erfolg der EZB oder gar die Stabilität des Euros zu bewerten. Nach der Methodik wäre ja auch eine eigentlich sehr stabile Verteilung von 50% x 1,9 und 50% x 2,1 ein klägliches Ergebnis.

  2. Wirtschaftswurm sagt

    Ok, das ist eine sehr einfache Metrik, das gebe ich zu. Besser wäre es, die Abweichungen noch nach ihrer Größe zu gewichten, vielleicht mache ich das auch noch einmal. Aber immerhin ist meine Metrik besser als die lächerlichen 1,97 % langjähriger und großeuropäischer Durchschnitt von Herrn Trichet. Die würde man ja auch erreichen, wenn man 5 Jahre eine Inflation von 20 % hat und danach 5 Jahre eine Deflation von 18 %.

  3. Wirtschaftswurm sagt

    Eine Ergänzung: Obwohl meine Analyse sehr einfach ist, zeigt sie doch bemerkenswerte Ergebnisse. Klar kann ich die PIGS-Staaten als Euro-Problemstaaten herausfiltern. Klar kann ich auch zeigen, dass 2008 (bzw. im Vorfeld von 2008) einiges schief gelaufen ist.

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  5. Teufel sagt

    Man muss die Ignoranz dieser zerstörerischen und abgehobenen Kaste schon bewundern: Nun zeichnen diese Witzbolde mit dem Karlspreis einen Herrn aus, dessen Beitrag zur „Krisenlösung“ darin besteht, die Umschuldung zu verzögern, die Verluste der Banken auf die Allgemeinheit „zu sozialisieren“ und das alles auf Kosten der entmündigten Bürger, die man nie gefragt hat, ob sie diesen ganzen EU-Quatsch und den Euro jemals haben wollten. Durch welchen Kakao lassen sich denn diese deutschen Schafe noch durchziehen, bevor sie kapieren, wie sie hier verraten und verkauft werden? Rom hat seine Vasallen sicher besser behandelt als der durchschnittliche deutsche Politiker sein Volk.

    Trichets selbst kostet es keinen Cent. Solch ein Handeln ist natürlich so außergewöhnlich europäisch-selbstlos, dass man ihm einen Orden verleihen muss.
    Witzig ist übrigens, dass sich nun auf den Druck von Schäuble („Keine Umschuldung“), EZB („Keine Umschuldung“) und Juncker („Niemals Umschuldung“) doch hin zu einem freiwilligen Schuldenverzicht der griechischen Gläubiger zu bewegen scheinen und das, nachdem man über ein Jahr Geld und Zeit untätig vernichtet hat.

    Für diesen kausalen Schaden sollte man dieser Bande bis ans Lebensende alles bis auf die Pfändungsfreigrenze wegnehmen. Schließlich gibts für deliktische verursachte Verbindlichkeiten auch keine Restschuldbefreiung in der Verbraucherinsolvenz. Das wäre nur fair; aber leider gibt es keine Haftung für legislatives Unrecht.

  6. Wirtschaftswurm sagt

    Wenn ein Herr wie Trichet das Recht bricht (so geschehen mit dem Ankauf zweifelhafter Staatsanleihen durch die EZB), dann wird das sogar noch in der Begründung für den Karlspreis als „ein hohes Maß an Pragmatismus“ gelobt. Das setzt dem Ganzen dann wirklich die Krone auf.

  7. Jan sagt

    Lehrreicher Post. Cool, wenn man das Thema auch mal aus einem anderen Blickwinkel beschrieben lesen kann.

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