Der motorisierte Personenverkehr nimmt in den hochentwickelten Staaten der Erde auch bei steigendem Bruttoinlandsprodukt nicht mehr zu. Zu diesem Schluss kommen die beiden Forscher Adam Millard-Ball und Lee Shipper von der Stanford University. In ihrer Studie werteten sie zahlreiche Verkehrsdaten aus so verschiedenen Ländern wie den USA, Japan, Großbritannien, Kanada, Australien und Schweden aus. Dabei betrachteten sie den Autoverkehr ebenso wie den mit Bus, Bahn und Flugzeug.
Die Summe all der vielen Einzeldaten zeigt die nachfolgend verlinkte Grafik mit Daten aus den Jahren 1970 bis 2006/07. Dargestellt werden die mit motorisierten Verkehrsmitteln zurückgelegten Kilometer pro Kopf in Abhängigkeit vom Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (in US-$ von 2000 nach Kaufkraftparitäten umgerechnet).
In allen sechs untersuchten Ländern (und nicht nur dort) gab es einen über Jahrzehnte anhaltenden Trend zu einem immer größeren Verkehrsaufkommen. So überrascht zunächst, dass dieser Trend in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts durchbrochen wurde. Die Zahl der Fahrgastkilometer stagniert seitdem.
Der Stopp stellte sich auf sehr unterschiedlichem Niveau ein. Die US-Amerikaner legen im Durchschnitt mehr als 2 ½ mal so viel Kilometer zurück wie die Japaner. Hier spiegeln sich die unterschiedliche Geografie der Länder wieder: Das sehr dicht besiedelte, verstädterte Japan markiert den einen Extrempunkt unter den untersuchten Staaten, die großen Flächenstaaten Kanada, Australien und eben USA den anderen. Kulturelle und politische Faktoren mögen ebenso eine Rolle spielen.
Der Bruch des Trends ergibt sich in allen Staaten daraus, dass die im Auto gefahrenen Kilometer im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten nicht mehr zunehmen und teilweise sogar sinken (vor allem in Kanada und Australien). Im Luftverkehr ist das Bild dagegen uneinheitlich. Während in den USA, Kanada und Australien die Zahl der geflogenen Kilometer pro Kopf nach wie vor zunimmt, stagniert sie in Japan und Großbritannien und sinkt leicht in Schweden. Allerdings könnte sich dieses Bild ändern, wenn man auch internationale Flüge einbezieht, die in der Studie vernachlässigt werden. Die Fahrten mit Bahn und Bus stagnieren in den untersuchten Ländern im Wesentlichen schon seit mindestens 1970.
Was sind die Ursachen des Verkehrsmaximums? Die Autoren haben keine eigene Ursachenforschung betrieben, aber für die Fachleute ist das Verkehrsmaximum nicht wirklich überraschend.
Da sind zunächst einmal die Treibstoffpreise. Vielfältige Untersuchungen zeigen allerdings, dass ihr Einfluss relativ klein ist. So besagen Schätzungen, dass eine Erhöhung der Treibstoffpreise um 15 % die Treibstoffnachfrage um lediglich 1 % senkt.
Die Alterung der Bevölkerung mag ein weiterer Grund sein. Bedeutender ist jedoch wahrscheinlich ein Sättigungseffekt. Ist ein gewisses Level erreicht, wird ein immer geringerer Teil des BIP-Zuwachses für Mobilität verwendet. In fünf der sechs untersuchten Staaten liegt die Sättigungsgrenze bei einem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zwischen 25.000 und 30.000 $ (in Preisen von 2000). Nur die USA scheren hier aus. Sie haben die Sättigungsgrenze erst bei einem BIP pro Kopf von 37.000 $ (in Preisen von 2000) erreicht.
Man weiß, dass auch in anderen Staaten wie Deutschland und Frankreich das Verkehrsmaximum erreicht ist. Fraglich allerdings, dass es die Umwelt und das Klima wesentlich entlastet. Denn in China lag 2009 das BIP pro Kopf erst bei 6.600 $. Bis zur Sättigungsgrenze ist dort wie in vielen anderen Schwellenländern noch viel Platz.
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