Sommer 1989 beim Feierabendbier irgendwo in der damaligen Tschechoslowakei. Mein älterer tschechischer Saufkumpane schimpft seit einer halben Stunde auf die Regierung und die herrschende kommunistische Partei. Dann kommt ein Satz, der mich verblüfft: „Ihr im Westen, ihr seid schon viel weiter auf dem Weg zum Kommunismus.“
Es entwickelt sich eine angespannte Diskussion. Mein Gegenüber erklärt mir die marxistische Geschichtsauffassung, nach der alles auf den Kommunismus hinausläuft. Ich, der junge Student und Praktikant aus Westdeutschland, sammle mein Schulwissen zusammen und erkläre, dass es kein Endziel der Geschichte gibt.
Eine Annäherung kommt nicht zustande. Der Graben zwischen den unterschiedlichen Sozialisationen ist zu tief.
Gesine Lötzsch, die zur Zeit mit ihrem Artikel „Wege zum Kommunismus“ Furore macht, gehört wohl zu denen, die mit dem Kommunismus sozialisiert wurden. Aber diese Spezies stirbt langsam aus. Inzwischen können auch viele jüngere im Osten, gleich ob links oder rechts, mit diesem Begriff nichts anfangen. Gesine Lötzsch hat ihrer Partei mit ihrem Artikel sicher nicht geholfen.
Und es ist gut so, wenn der Begriff Kommunismus bald entsorgt wird. Denn Kommunismus ist weder wünschenswert noch wird er irgendwann Realität. Warum das so ist?
Kommunismus steht für die klassenlose Gesellschaft, in der alle wirtschaftlichen Interessengegensätze aufgehoben sind. Das hört sich gut an. Karl Marx beschrieb den Kommunismus auch mit der Formel: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ Nun sind allerdings die Bedürfnisse eines Menschen nicht ein für alle mal gegeben. Irgendwann kommt der erste Mensch, der ein iPad will, weil es neue Abwechslung verschafft und weil er sich damit aus der Masse heraushebt. Sobald der erste ein iPad besitzt, wollen allerdings alle anderen auch eines, um nicht zurückzustehen. Und sobald alle (oder zumindest ausreichend viele) eines besitzen, muss das nächste Produkt her, um Abwechslung zu bringen oder Status zu dokumentieren.
Die Spirale endet nicht von alleine. Vielleicht kann man sie mit Gehirnwäsche unterbinden, dann sind wir in einem totalitärem System. Ansonsten muss jeder Versuch, alle Bedürfnisse zu befriedigen, zu einem immensen Ressourcenverbrauch und zu einer Ausbeutung der Natur führen. Kommunismus kann nur gedacht werden als Vorstufe der ökologischen Katastrophe. Wir sollten daher noch nicht einmal von ihm träumen.
Die Idee des Kommunismus ist Überbleibsel einer naiven Fortschrittsgläubigkeit. Sie hilft uns heute nicht. Im Gegenteil, sie lenkt davon ab, soziale Gerechtigkeit unter realistischen Bedingungen zu erreichen. Nicht die Aufhebung der Interessengegensätze ist das Ziel, sondern knappe Güter gerecht zu verteilen.
Moin,
eine Utopie zum Frühstück:
Wir mischen die Kosteneffizienz des marktwirtschaftlichen Kapitalismus mit der – Gott stehe mir bei – nicht auf Ausgrenzung zielenden Gerechtigkeitsauffaßung des humanistischen Sozialismus und ermöglichen durch gesellschaftlich-individualistischen Liberalismus die Hoheit der Menschen vor sich selber im Gesellschaftskontext und reichen zum Schluß durch digitale Anonymisierung und open source cloud noch eine Prise Anarchie dazu?
Manche Menschen können auch ohne iPad glücklich werden.
Viele Grüße!
„Kommunismus steht für die klassenlose Gesellschaft, in der alle wirtschaftlichen Interessengegensätze aufgehoben sind.“
„Und sobald alle (oder zumindest ausreichend viele) eines besitzen, muss das nächste Produkt her, um Abwechslung zu bringen oder Status zu dokumentieren.“
„Manche Menschen können auch ohne iPad glücklich werden.“ – Ok, jedem seine eigene Utopie.