Wirtschaftswurm-Blog

Die große osteuropäische Wüstung

Wüstung Dangelsdorf

In sieben osteuropäischen Staaten sinkt die Bevölkerung schon seit langem besonders stark. Setzt sich dieser Trend dauerhaft fort, wird ein fast menschenleerer Raum entstehen, der mehr als dreimal so groß ist wie Deutschland.

Wüstung, so nennt man eine historische Siedlung, die heute aufgegeben worden ist. In Deutschland wurden vor allem viele kleine, abseits gelegene Dörfer im Spätmittelalter verlassen. Das war eine Folge des Bevölkerungsrückgangs durch den Schwarzen Tod und andere Krisen. Die überlebende Bevölkerung konzentrierte sich lieber in weniger Dörfern, die von guten Ackerböden umgeben waren.

Auch in der jüngeren Vergangenheit gab es einige Wüstungen. So hat die DDR entlang der innerdeutschen Grenze etwa 50 Siedlungen zwangsentsiedelt und geschleift, also unbewohnbar gemacht.

Noch jüngere Wüstungen gibt es in Rumänien. Im Netz findet man z.B. Reiseberichte über das aufgegebene rumänische Dorf Lindenfeld. In Lindenfeld wohnten früher Deutsche, die dann nach Deutschland ausgewandert sind. Bislang scheint es aber nur sehr wenige echte Wüstungen in Rumänien zu geben. Aus dem Roma-Dorf Fantanele z.B. sind zwar schon viele weggezogen, geheiratet wird dort trotzdem noch.

Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Zahl der Wüstungen in Zukunft steigen wird, und zwar nicht nur in Rumänien. Ein nur schleichender Bevölkerungsrückgang wie in Deutschland hat allerdings vorerst keine so drastischen Konsequenzen. Denn die Bevölkerung Deutschlands ist nach amtlichen Zahlen von 2008 bis 2014 um 1,7% gesunken. Und ein großer Teil dieses Verlustes beruht wahrscheinlich lediglich auf einer Korrektur der Statistik durch die Volkszählung 2011.

In Ländern wie Griechenland, Ungarn oder Kroatien war der Bevölkerungsverlust seit 2008 in etwa genauso groß wie in Deutschland. Es gibt allerdings sieben europäische Staaten die einen größeren, ja einen erheblich größeren, Bevölkerungsrückgang als Deutschland zu verzeichnen haben. Zusammen bedecken sie eine Fläche, 3,3-mal so groß wie Deutschland. Diese sieben sind: Lettland, Litauen, die Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Serbien und Albanien.

jährliches
Bevölkerungswachstum
1999-2008
jährliches
Bevölkerungswachstum
2008-2014
Wachstum
1999-2014
gesamt
Wachstum
2008-2014
gesamt
Albanien -0,64% -0,89% -10,5% -5,2%
Bulgarien -0,65% -0,91% -10,7% -5,3%
Lettland -1,00% -1,25% -15,3% -7,3%
Litauen -0,77% -1,37% -14,1% -7,9%
Rumänien -0,46% -1,27% -11,2% -7,4%
Serbien -0,28% -0,43% -5,0% -2,5%
Ukraine -0,83% -1,19% -13,7% -6,9%

Für die Jahre 2008-14 steht Serbien dabei in der Mitte zwischen Ländern mit schwachem Bevölkerungsrückgang wie Deutschland und den anderen sechs Ländern. In Albanien und Bulgarien schrumpfte die Bevölkerung dagegen stark und in den genannten baltischen Staaten sowie in Rumänien und der Ukraine sehr stark. Spitzenreiter war Litauen. In Litauen lebten 2014 7,9% weniger Menschen als 2008. Alle Berechnungen beruhen übrigens auf Zahlen des IWFs.

Das Jahr 2008 eignet sich als Referenzjahr, weil damals die Weltwirtschaftskrise einen Einschnitt brachte. In den Jahren davor gab es in den sieben Ländern dagegen einen meist starken Wirtschaftsaufschwung. Wann dieser Aufschwung begann ist unterschiedlich, aber auch die Nachzügler Ukraine, Rumänien und Serbien durchschritten 1999 endgültig die Talsohle nach dem Zusammenbruch des Sozialismus. 1999 eignet sich damit als zweites Referenzjahr.

Und man sieht: Auch schon in der Aufschwungzeit 1999-2008 schrumpfte die Bevölkerung in den sieben Ländern. Das Bevölkerungsproblem ist also dort kein neues. Die Zahlen zeigen allerdings auch, dass es sich nach 2008 verschärft hat. Besonders verschlimmert hat es sich in Rumänien.

Insgesamt verzeichnet Lettland den größten Bevölkerungsverlust im Gesamtzeitraum von 1999-2014: Die Bevölkerung sank um 15,3%. Das ist wahrscheinlich mehr, als Deutschland während des Schwarzen Todes 1348-51 verlor. Nach Lettland folgen Litauen und die Ukraine. In der Gesamtbetrachtung seit 1999 steht dagegen Rumänien kaum schwächer da als Bulgarien und Albanien. Relativ am besten schneidet noch Serbien ab.

Damit habe ich natürlich erst einmal nur das Problem angerissen. Ursachen und Folgen des Bevölkerungsschwundes sind noch nicht benannt.

Foto (von Lienhard Schulz): Kirchruine aus dem 14. Jahrhundert in der Wüstung Dangelsdorf (Brandenburg)


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4 Kommentare

  1. Jochen sagt

    Auch das ländliche Spanien entvölkert sich schon seit Jahrzehnten, noch weit stärker als in den Schrumpfregionen der Ex-DDR, so dass dort schon in erheblichem Umfang Wüstungen entstanden sind. Das ist nur kaum jemandem bewusst – denn wer will da schon hin?

  2. Im Gegensatz zu Osteuropa war es aber in Spanien wenigstens bisher so, dass die Leute im Land blieben und nur in die Stadtregionen zogen. Ob sich das im Zuge der Eurokrise ändert, wird man sehen.

  3. Pingback: Kleine Presseschau vom 30. April 2015 | Die Börsenblogger

  4. Stefan Rapp sagt

    Spanien hat von circa 2001 bis 2014 eine Bevölkerungsentwicklung von circa 40 auf 46 Millionen hingelegt, das bedeutet wohl das Verwüstungen nicht unbedingt was mit dieser Entwicklung zu tun haben müssen, sondern auch bei einem starken Zunahme jener, entstehen können. Vielleicht wird ja zukünftig das autonome Autofahren, falls es denn kommt, die Stadtflucht etwas eindämmen können.

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