Wirtschaftswurm-Blog

Bye Bye Data Slavery: Von einer digitalwirtschaftlichen Utopie

Von Berthold Bürger für gutefrage.net GmbH, München

Die Kamera fährt in Kreisen um die Gestalt, sodass dem Betrachter beim Zusehen schwindelig wird. Dabei enthüllt die Perspektive, dass das Business Suit der Sprecherin am Rücken provisorisch zugeklammert ist; ein Hinweis darauf, dass irgendwas an der Gestalt improvisiert, unprofessionell oder künstlich ist. Im krassen Gegensatz dazu steht der Vortrag von Jennifer Lyn Morone. Denn sie spricht von der Möglichkeit, im Zeitalter der Digitalwirtschaft selbstbestimmt zu leben. Und meint es so ernst, dass sie sich selbst zu einem Unternehmen gemacht hat.

Etwa eine Million Dollar hat Jennifer Lyn Morone mit ihren fünfunddreißig Jahren gekostet. Erziehung, Bildung und Ernährung haben sie zu dem gemacht, was sie sind. Jennifer Lyn Morone hat beschlossen, dass diese Investition nun endlich einmal Früchte tragen sollte. Und sich kurzerhand zu einem Unternehmen gemacht. Das Produkt: sie selbst, einschließlich ihres Körpers, ihrer Gefühle, und natürlich – ihrer Daten.

Jennifer Lyn Morone™ Inc, kurz JLM, hat sich in diesem Jahr gegründet, um der modernen Digitalwirtschaft ein Produkt entgegenzusetzen. Sie handelt, wie sie selbst sagt, im Namen des extremen Kapitalismus. Und ist gewillt, alles, wirklich alles an sich zu verkaufen. Speziell dafür entwickelt sie eine Software namens Database of Me, oder DOME. DOME soll das komplette Verhalten von JLM dokumentieren und an große Firmen wie Google, Facebook oder Twitter verkaufen können. Zusätzlich bietet JLM körperliche Leistungen wie Blutplasmaspenden, emotionale Leistungen wie Trost spenden, Arbeitskraft und geistige Leistung an. Alles zu festgesetzten Preisen.

Der wohl innovativste Aspekt der Aktion der Londoner Künstlerin ist jedoch DOME. Denn hinter der Idee, die Daten zu verkaufen, steht eine wirtschaftliche Überlegung: Die persönlichen Daten, die große Unternehmen sammeln, werfen für diese Unternehmen Gewinne ab. Jeder, so Morones Logik, sollte also dazu berechtigt sein, seine Daten nicht indirekt und ungefragt herauszugeben, sondern direkt und transparent zu verkaufen. DOME soll dabei als der Datenhändler des Individuums fungieren und die Preise für die verschiedenen Daten aushandeln. Daten sollen mehrmals verkäuflich sein und nicht ihren Wert verlieren. So soll das einzelne Individuum von einer unmündigen Datenquelle zu einem selbstbestimmten Agenten auf dem digitalwirtschaftlichen Markt werden.

JLM ist zwar ein Kunstprodukt, aber die Idee hinter der Umwandlung eines Menschen in ein Unternehmen könnte tatsächlich eine zukunftsweisende Utopie aufzeigen. Denn bei der Abgabe von Daten fehlt es nicht nur an Verständnis, sondern auch an Mündigkeit. Die meisten Menschen sind sich weder bewusst, wann sie Informationen von sich preisgeben, noch, was mit diesen Informationen geschieht und für wen sie wann Gewinn abwerfen. Das zeigen schon die große Unsicherheit zu Datenschutz und Datensicherheit, die in Internet-Foren zu lesen ist, und das nicht erst seit Edward Snowden. Und tatsächlich fehlt es in diesem wirtschaftlichen Zweig nicht nur an Transparenz, sondern auch an der Möglichkeit autonomer Handlung.

An der Software DOME arbeiten neben Morone auch zahlreiche Ingenieure und Entwickler. Auch das zeigt, wie ernst JLM gemeint ist. So könnte DOME irgendwann so entwickelt werden, dass es nicht nur innerhalb einer Kunstaktion, sondern auch auf dem realen Markt funktioniert und der wirtschaftlichen Nutzung von Daten ohne Nutzertransparenz Einhalt gebietet. Bis das passieren kann, werden noch Jahre des Umdenkens und der Bewusstwerdung ins Feld ziehen. Aber Jennifer Lyn Morone hat mit ihrer Aktion nicht nur Bewusstsein geschaffen, sondern auch eine Alternative aufgezeigt, wie mit der neuen wirtschaftlichen Situation umgegangen werden kann.

Ob ihr ambitionierter Slogan „Bye Bye Data Slavery“ sich jedoch bewähren wird, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Denn DOME ist erst Ende des Jahres voll funktionsfähig. Erst dann wird sich herausstellen, ob sich das Unternehmen JLM tatsächlich in der digitalen Wirtschaft bewähren wird – oder ob JLM wieder vom Markt verschwindet, weil Unternehmen nicht gewillt sind, für die persönlichen Daten zu zahlen. Schließlich sind diese momentan immer noch umsonst zuhauf verfügbar.


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1 Kommentare

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