Wirtschaftswurm-Blog

Soziale Gerechtigkeit zusammengerührt

Zumindest in einem Punkt bleibt die Bertelsmann-Stiftung ihrer Ideologie treu. Sie glaubt an die segensreiche Kraft der Rankings in allen Bereichen. Sie setzt auf den Wettbewerb um die besten Plätze – insbesondere auch als Ansporn für die Politik. Und so gibt es fast nichts, für das die Bertelsmann-Stiftung in den mehr als 33 Jahren ihres Bestehens nicht eine Rangliste erstellt hat.

Bezeichnend, dass eine internationale Rangliste der sozialen Gerechtigkeit bislang fehlte. Immerhin gehört soziale Gerechtigkeit wahrscheinlich zu den wichtigsten Faktoren für Glück und Zufriedenheit überhaupt. Diese Lücke wurde allerdings mit der jüngsten Studie der Bertelsmann-Stiftung unter dem Titel „Soziale Gerechtigkeit in der OECD – Wo steht Deutschland?“ geschlossen.

Fragt sich allerdings, ob der sozialen Gerechtigkeit tatsächlich mit dem Bertelsmann’schen allgemeinen Gerechtigkeitsindikator geholfen ist. Drei Punkte lassen sich dagegen anführen und zumindest die letzten beiden halte auch ich für relevant:

  1. Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit. Sie beruhen auf unterschiedlichen Werten. Hier ist allerdings anzumerken, dass dies nicht die Verständigung auf einen Konsens ausschließt. Große Denker wie John Rawls und Amartya Sen haben dies gezeigt. Auch das, was die Bertelsmann-Stiftung als „Teilhabegerechtigkeit“ bezeichnet, könnte durchaus Konsens werden:

    Statt einer „gleichmachenden“ Verteilungsgerechtigkeit oder einer lediglich formalen Chancengleichheit durch gleiche Spiel- und Verfahrensregeln geht es bei dem Konzept der Teilhabegerechtigkeit darum, jedem Individuum tatsächlich gleiche Verwirklichungschancen durch die gezielte Investition in die Entwicklung individueller „Fähigkeiten“ (capabilities) zu garantieren.

  2. Die reine Platzierung auf einer Rangliste sagt nichts aus, wenn man nicht auch das Umfeld bewertet. Schließlich ist ein erster Platz in der Bundesliga etwas ganz anderes als ein erster Platz in der Bezirksliga. So gab die Bertelsmann-Stiftung zwar Deutschland und der Schweiz 8 von 10 Punkten für die Umweltpolitik (als Beitrag zur Generationengerechtigkeit). Österreich bekam nur 6. Gute relative Bewertungen ändern allerdings nichts am fortschreitenden menschengemachten Klimawandel.
  3. Soziale Gerechtigkeit bleibt ein Thema mit großer Komplexität. Es lässt sich nicht in einen einzigen Indikator pressen. Die Bertelsmann-Stiftung benutzt für jeden Staat 25 Daten bzw. Expertenbewertungen aus fünf Kategorien, um daraus ihren Gerechtigkeitsindikator zu berechnen. Die Auswahl der Daten wie auch ihre Gewichtung bleibt zum Teil subjektiv. So wird etwa der Zugang zu Bildung erfasst, die Gesundheit bleibt dagegen unberücksichtigt, obwohl bekannt ist, dass Arme eine kürzere Lebenserwartung haben als Reiche.

Viel interessanter als der schlagzeilenträchtige Bertelsmann-Indikator für soziale Gerechtigkeit sind darum einige Einzeldaten. Nur der Vollständigkeit halber will ich trotzdem erwähnen, dass Deutschland insgesamt einen mageren 15. Platz unter 31 untersuchten OECD-Ländern erreicht. Österreich liegt immerhin auf Platz neun, die Schweiz auf Platz sieben auf der Gerechtigkeitsskala.

Zu den interessanten Einzeldaten komme ich in meinem Artikel: „Soziale Gerechtigkeit im Detail …„.


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2 Kommentare

  1. Ja klar, jeder Indikator hat ein Problem. Das gilt allerdings auch für fast jeden Teilindikator. Die sind auch subjektiv, du weisst auch nicht, was wichtig ist, wie der errechnet wird, etc.

    Es ist eine Zahl und die ist immer eine unzulässige Verdichtung der Realität.

    Ich zweifle an dem Wert wenig. Oder zeigst du mir den Indikator, der sagt, dass die Skandinavier ungerecht und die Türkei gerecht 😉

    Ernsthaft: Der deutsche Wert im Mittelfeld ist schon plausibel. Wir sind kein komplettes Ellenbogenland wie die USA, aber eben auch kein Musterschüler wie die Skandinavier.

  2. Wirtschaftswurm sagt

    Ja, der Indikator gibt für Deutschland ganz plausible Werte heraus. Aber er gibt überhaupt keinen Hinweis darauf, was zu tun ist, um mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Schließlich gibt es nicht den großen Hebel, mit dem man mehr soziale Gerechtigkeit einführt, sondern es gibt mehrere kleine Hebel. Und darum halte ich es für sinnvoller, auf die Rohdaten zu schauen.

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