Wirtschaftswurm-Blog

Schuldenbremsen wirken – aber anders (Teil II)

Schuldenquoten extrapoliert

Wir sollten beim Thema Staatsschulden moralisch abrüsten. Das meint zumindest mein Gastautor Stephan Ewald in seinem zweiten Beitrag zum Thema. (Der erste findet sich hier.) Denn Staatsschulden sind in manchen Phasen volkswirtschaftlich sehr hilfreich und bewahren uns auch sonst vor noch schlimmeren Ideen.

Die Idee einer Schuldenbremse ist ein Dauerbrenner in der ökonomischen Debatte und immer wieder kommen Politiker auf diese „neue“ Idee. In den USA gab es den Vorschlag 1982 (der Kongress hat das abgelehnt) und der Ökonom Gardner Ackley hat dazu einen sehr interessanten Beitrag in Challenge veröffentlicht: „You Can’t Balance The Budget By Amendment“ (Paywall). Gardner Ackley schreibt:

Meine eigene Position über Defizite war immer und bleibt, dass Defizite an sich weder gut noch schlecht sind. Es gibt Zeiten, in denen sie nicht nur angemessen, sondern auch in hohem Maße wünschenswert sind, und es gibt Zeiten, wenn sie unangemessen und gefährlich sind. Während einer Rezession oder einem Zeitraum von „Stagflation“ sind Defizite fast unvermeidlich und sehr wahrscheinlich konstruktiv und nicht schädlich.

Das ist schon mal ein sehr wichtiger Punkt für Deutschland. Es wäre für eine rationale Debatte sehr hilfreich hier moralisch abzurüsten und nicht grundsätzlich staatliche Schulden und Defizite als ganz böse zu verdammen und deshalb Schuldenbremsen einzuführen. Was Gardner Ackley hier mit „Defizite in einer Rezession sind unvermeidlich und konstruktiv“ meint, ist: Es gibt zyklische Defizite, die eine Regierung gar nicht planen kann/soll!

Die zyklischen Defizite sind die sogenannten automatischen Stabilisatoren. In einer Rezession sinken automatisch die Steuereinnahmen und steigen die Sozialausgaben. Damit steigt das Defizit automatisch und das ist gut so. So war das von den Erfindern des Sozialstaats nämlich gedacht. Man kann natürlich die automatischen Stabilisatoren per Schuldenbremse teilweise ausknipsen, indem man die Steuern erhöht und die Sozialausgaben kürzt, wie das die Troika – also die Institutionen – so gerne macht. Das hat leider den kleinen Nachteil, dass dann große Teile der Bevölkerung etwas verarmen.

Der vorgeschlagenen Verfassungsänderung, sowohl das Defizit als auch die Höhe der Ausgaben der Bundesregierung im Verhältnis zum Volkseinkommen zu beschränken, fehlt jede ökonomische oder politische Rechtfertigung. Die Umsetzung, glaube ich, würde ernsthaft die Fähigkeit der Bundesregierung beschädigen ihren Aufgaben effektiv nachzukommen, und könnte das Wohl des amerikanischen Volkes deutlich reduzieren.

Tja. Da liegt Gardner Ackley meiner Meinung nach auch richtig, was die deutsche Schuldenbremse und das Wohl des deutschen Volkes betrifft. Nicht nur, dass viele deutsche Brücken bald nicht mehr befahrbar sind, die deutsche Schuldenbremse befördert zudem merkwürdige Ideen. Laut ILO „Demystifying a Shining Example: German Public Finances under The Debt“ braucht Deutschland staatliche Investitionen zwischen 60 und 150 Mrd Euro. Und da die Autoren sich mit der Idee „Schuldenbremse“ abgefunden haben fordern sie das volle Programm linker Steuerumverteilung – was auch nicht wirklich helfen wird.

Umgekehrt kommt wiederum die nicht links-verdächtige SPD unter Sigmar Gabriel auf die Idee, diese Investitionen über sogenannte Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP) auf die Welt zu bringen. Das ist sicher eine sehr schöne Idee für den FIRE (Finance Insurance Real Estate) Sektor, um zusätzliche Renditen via Renten und Subventionen einzufahren, aber wesentlich teurer für den deutschen Bürger. Denn der deutsche Staat kann sich via Defizit und ohne Schuldenbremse auf dem Kapitalmarkt viel billiger mit Geld für Investitionen versorgen als über dubiose Schattenhaushalte, nur damit die Schwarze Null steht.

Zusammenfassung: Ich bin einer Meinung mit Gardner Ackley, dass eine Schuldenbremse eine blöde Idee ist. Und wer einen Tipp von mir braucht, wie er mit dieser Meinung nicht ganz so unbeliebt bei einem Bier unter Freunden ist: Fast alle meine Freunde haben Schwierigkeiten, ihre Beschwerden mit der Schuldenbremse in Verbindung zu bringen. Warum müssen wir uns regelmäßig frei nehmen, um Klassenzimmer und Schülertoiletten zu putzen? Warum diskutieren wir in epischer Länge am Elternabend über ein gesünderes Mittagessen unter dem Vorbehalt, dass es nur 1,50 Euro kosten darf? Wegen der deutschen Schuldenbremse.

geschrieben von Stephan Ewald

Grafik (von Karl-Ludwig Poggemann): Schuldenquoten ausgewählter Eurostaaten extrapoliert


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39 Kommentare

  1. rote_pille sagt

    dummerweise werden die defizite früher oder später zu einer dauereinrichtung. denn die ursachen der rezession oder stagflation sind ja niemals beseitigt worden. die defizite verhindern die verarmung nicht, sie verschleiern sie nur kurzzeitig (oder eben über jahrzehnte, wenn man ohne schulden angefangen hat und ein ansonsten funktionierendes system hat- jedenfalls kann es nicht ewig dauern). aber irgendwann ist der kredit ausgereizt und sie schlägt mit noch größerer wucht zu. es mag in der derzeitigen situation aus aussehen, als ob man mit sparpolitik auf absehbare zeit nicht weiterkommt. das ist auch wahr, nach jahrzehnten der aufschuldung. man hat aber trotzdem nur 3 alternativen:
    1. schuldenschnitt, reset, währungsreform
    2. geld unter der bevölkerung in form von erhöhten ausgaben ausschütten. kann aber leicht zu panik und damit zu punkt 1 führen. in china z.b. ist die inflation für kurze zeit deutlich sichtbar geworden. wenn das ganze geld aus den finanzmärkten tatsächlich rüberschwappt, weil es neue, vom staat geschaffene gewinnmöglichkeiten sieht, dann gute nacht.
    3. mit einer langwierigen sparpolitik zu beginnen und die wirtschaftlichen folgen zu ignorieren. da ein großer und vor allem lauter teil der bevölkerung jedoch schon vom staat abhängig ist, und viele weitere aus angst vor armut und arbeitsplatzverlust sozialistisch eingestellt sind wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als alles an die wand zu fahren, um zu verhindern, dass die extremen linken kräfte überall an die macht kommen und die wirtschaft nachhaltig ins chaos stürzen.

  2. „Das hat leider den kleinen Nachteil, dass dann große Teile der Bevölkerung etwas verarmen.“
    … und nicht mehr nachfragen können, womit weitere (Unternehmen) unter mangelnder Kapazitätsauslastung sinken und dann was machen?

  3. Naja rote_pille. Die Vereinigten Staaten von Amerika gibt es seit 1776. In dieser zugegeben kurzen Zeitspanne gab es genau 7 Zeitperioden in denen die USA kein Defizit verbuchten. Und irgendwie gibt’s die USA immer noch?

  4. @CGB Die Oberste Heeresleitung der Euromacht ruft aus Berlin an und gibt bekannt: Ihr müsst noch mehr sparen. Dann wird alles sicher bald wieder gut.

  5. torsten sagt

    Ja die USA gibt’s immer noch. Sie hat mit ihrer aggressiven Außenpolitik die erdölexportierenden Länder (und nicht nur die) dazu „bewegt“, ihre Exporte in Dollar zu fakturieren. Wer es als Land wagen sollte, aus der Abrechnung seines Außenhandels in Dollar auszusteigen, wird Folgen zu spüren bekommen. Auch Saddam Hussein rechnete im Jahr vor seinem Tod seine Erdölexporte in Euro ab- und lebte nicht mehr lang. Heute nutzen die USA als zusätzliches Druckmittel das Abschneiden vom Swift-System der Banken für internationale Transaktionen. Exzessive Handelsbilanzdefizite können sich die USA nur leisten ,weil sie der Welt das Vertrauen in den Dollar mit vorgehaltener Waffe „verordnen“ können. Griechenland kann das nicht, Russland kann es für seine Währung auch nicht. Die Einstufungen der amerikanischen Ratingagenturen sind sicherlich mit de US-Geheimdiensten abgestimmt, den mit der Realität haben sie nicht immer was zu tun. Man vergleiche ihre Einstufungen mit denen der chinesischen Ratingagentur Dagong. Im übrigen ist das (keynsianische) Argument richtig, dass Staatsausgaben in Zeiten der Rezession steigen können, um soziale Härten abzufedern. In guten Zeiten sollten aber Überschüsse zum Abbau der Schulden verwendet werden und nicht wie jetzt zur verdeckten Staatsfinanzierung von Euroländern, die kein Geschäftsmodell haben und daher auf Dauer alimentiert werden.

  6. Lieber @torsten Ich hoffe du verzeihst mir wenn ich deine Verschwörungstheorien was die USA und den US$ betrifft einfach ignoriere. Ich bin allerdings nicht überzeugt was deine Behauptung bezüglich Russland betrifft. Würde der russische Staat seine Rohstoff-Export in Rubel fakturieren dann würde die gesamte Eurozone für ihre Gasimporte plötzlich ziemlich viele Rubel brauchen.

  7. rote_pille sagt

    das defizit hielt sich in den usa seit gründung bis zum new deal aber in sehr engen grenzen, weil das steueraufkommen niedrig und die zinsen hoch waren (sie konnten ohne fed nicht manipuliert werden) und man die bevölkerung zur sparpolitik zwingen konnte. wenn sie das heute versuchen, gibt es aufstände, linke und angeblich bedürftige weinen wegen der „unsozialen“ politik (während sie ihre privatkonten verstecken) und der finanzsektor kollabiert weil er durch die gigantische hebelung instabil ist (die schulden haben sich auch hier immer weiter aufgetürmt). der staatssektor ist in südeuropa (und nicht nur dort) längst wirtschaftsfaktor nr. 1, und jede reduktion der staatsausgaben bringt die angestauten probleme zum vorschein. wenn sparpolitik hingegen nur bedeuten würde, die steuern von 8 auf 10% hochzusetzen, gäbe es das problem sicher nicht, das könnte man ertragen.

  8. Bin da eher auf Seiten von Torsten (ist Blackrock nicht an mindestens einer der Ratingagenturen beteiligt?) – insofern der Anruf der „Heeresmacht aus Berlin“ wohl eher bloß „Bad Cop´s Part“. Gruß Christoph
    P.S. Wie kann der Wirtschaftswurm nur auf der Seite von Sinn sein – weil er den gleichen Schwachsinn wie Weidmann erzählt – z. B. dass der Verlust der EZB auf die nationalen ZBs (richtig) und damit auf deren Steuerzahler (falsch) gewälzt würde.

  9. OK @rote_pille Dann hätte ich einfache Fragen an sie: Was bringt ihnen das? Das breite Teile der Bevölkerung via einer rigiden Sparpolitik verarmen nur damit sie und die Regierung eine Schwarze Null als Monstranz vor sich hertragen können? Und was haben sie eigentlich gegen den Staatssektor? Fahren sie nicht auf der Autobahn oder mit der Bahn? Gehen ihre Kinder nicht zur Schule oder Universität? Nutzen sie kein SmartPhone oder ein GPS im Auto? Hassen sie das Internet obwohl das ihre einzige Möglichkeit ist um der ganzen Welt mitzuteilen, dass der Staatssektor zu blöd für alles ist?

  10. Lieber @CGB Christoph Habe gerade deinen verlinkten Beitrag „In der Rezession sich reproduzierende Staatsdefizite“ auf Querschuesse.de gelesen. Da bin ich ganz bei dir. Was die Rating Agenturen betrifft allerdings nicht wirklich. Die sind nämlich meiner Meinung nach ziemlich überflüssig was Ratings von souveränen Staaten betrifft. Wir erinnern uns: Moodys hat Japan abgestuft. Schlechteres Rating als Botswana. Was ist am Bond-Markt passiert? Gar nix. Außer das die japanische Regierung der aufgeregten afrikanischen Presse versichern musste, dass Japan nicht seine Entwicklungshilfe an Botswana deswegen einstellt.

  11. Ja, ich erlaube mir ab und zu, hier Beiträge zu veröffentlichen, mit denen ich nicht in jedem Punkt übereinstimme. Denn ich persönlich halte Schuldenbremsen für eine gute Idee, glaube aber, dass die bisherigen Bestimmungen und Ideen dazu (noch) nicht ausgereift sind. Aber sollte man darum das Konezpt zur Gänze ablehnen oder lieber an seiner Verbesserung arbeiten?

    Letztlich ist die Schuldenbremse doch eine Antwort auf einen Defekt des politischen Systems, der Politiker verleitet immer mehr auszugeben als einzunehmen. Automatische Stabilisatoren okay, aber dann bitte schön solte der Staat auch wirklich seine Ausgaben zurückfahren, wenn die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt. Das geschieht jedoch fast nie und wenn, dann nur im geringen Maße. Warum war denn 2014 erst das zweite Mal seit 1969, dass der Staat seinen Schuldenbestand nicht vergrößerte?

    Politiker stehen unter Zwängen, der größte davon, der Zwang, sich wiederwählen zu lassen, und so entscheiden sie schon einmal gegen die Vernunft. Die Schuldenbremse ist ein Versuch einer Korrektur.

  12. Interessant Arne. In dem Aufsatz von Gardner Ackley geht er auch auf deinen Einwand ein:

    … bedeutet, dass man unseren politischen Vertretern nicht vertrauen kann intelligente Entscheidungen in Haushaltsfragen zu treffen. Wenn dies der Fall für Steuern und Ausgaben ist, können wir ihnen vertrauen in Fragen rund um die sozialen Beziehungen, Bildung, Außenpolitik und die Bürgerrechte?

    Ich bin ganz bei dir, dass ein gesundes Misstrauen gegenüber unseren politischen Vertretern wirklich nicht schaden kann. Aber wenn wir alle politischen Entscheidungen auf Automatismen wie die Schuldenbremse umstellen können wir uns diese nervige Demokratie eigentlich gleich sparen.

  13. Wunderbaaaargh sagt

    @Arne Kuster
    Wenn man dem Politikern nicht zutraut mit Finanzen umzugehen dazu zwingt eine schwarze Null anzustreben kommt es zu Effekten:
    Erstens dass Politiker mit Bilanztricks und Schattenhaushalten Vorgaben zu finanzieren wie oben Stephan Ewald angemerkt hat (Stichwort ÖPP). Die Kosten werden dann nur in die Zukunft verschoben bzw. dann als erhöhte Abgaben anfallen, die nicht als Schulden des Staates anfallen die der Bürger über Steuern begleichen muss sondern direkt aus der Brieftasche beglichen werden. Aber vielleicht ist das einigen lieber. Billiger ist das aber nicht.
    Zweitens dass notwendige Investitionen ausbleiben was mittel- bis langfristig weit mehr Schaden anrichtet als letztendlich gespart wird. Irgendwann muss man Brücken und Schulen abreissen weil man sie nicht mehr flicken kann. Wir haben dann zu wenig Polizisten, Lehrer, Sozialarbeiter etc. Wir kürzen Leistungen des Staates nur aus Angst vor einer zu hohen Staatsschuldenquote. Der gesellschaftliche Schaden wird dagegen, nicht nur finanziell, vernachlässigt.
    Die Schuldenbremse ist Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Es entspringt auch der Denke dass Staatsschulden immer voll zurückgezahlt werden (müssen) was realistischerweise nie geschehen wird und auch in der Vergangenheit nie der Fall war. Wenn die Belastung zu gross wird, dann werden Schulden erlassen, weginflationiert etc. Das ist dann natürlich nicht schön, vor allem weil man uns Deutsche alle durch mehr oder weniger aufgenötigte private Altersvorsorge (aus Angst vor dem demographischen Wandel) zu Gläubigern des Staates bzw des Auslandes gemacht hat und wir dadurch darauf hoffen müssen dass alle alle alle ihre Schulden bis auf den letzten Heller abbezahlen. Sonst war’s dass mit der privaten Altersvorsorge.
    Da die Schuldenbremse wirkt und aus Mangel an Inlandsinvestitionen haben wir letztes Jahr wieder 200 Milliarden Euro ins Ausland (wo keine Schuldenbremse existiert) exportiert. Es ist faszinierend, wir gönnen uns selber nichts aber dem Ausland trauen wir zu dass es seriöser und ertragreicher mit unserem Geld umgeht und in 30 Jahren unsere Renten zahlt. Aber wehe uns wenn alle Länder das Erfolgsmodell Schuldenbremse übernehmen. Dann wird der Negativzins eine Dauererscheinung sein und das Sparen endgültig eine Episode der jüngeren Geschichte.

  14. Sehr gut erklärt, wieso Deutschland zurzeit keine Schulden machen sollte. Die Defizite kommen ja automatisch in einer Rezession, also braucht man diese bei einer noch laufenden Konjunktur nicht schon vorsorglich.

  15. @Stephan Ewald, es gab ja schon immer eine Schuldenbremse im Grundgesetz. Die Schulden sollten nie höher sein als die Investitionen. Offensichtlich war diese Schuldenbremse aber fehlkonstruiert und wirkte nicht.
    Zur Demokratie gehört wesentlich, dass Politiker zur Rechenschaft gezogen werden können. Wenn Politiker aber nun Maßnahmen beschließen, die heute ganz toll sind, deren negativen Folgen sich aber erst unter den Nachfolgern zeigen, dann funktioniert das mit der Rechenschaft eher schlecht. Und Schulden sind ein ganz hervorragendes Mittel für Politiker, die negativen Folgen einer Maßnahme erst einmal zu verschleiern und den Nachfolgern aufzubürden.

  16. Pingback: Schuldenbremsen wirken – aber anders | Wirtschaftswurm

  17. So mutig wie angekündigt finde ich den Beitrag nicht. Dass zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen vorübergehende Neuverschuldung sinnvoll ist, die dann im Aufschwung wieder zurückgeführt wird, bestreitet doch kaum jemand und sehen auch die neuen Bestimmungen im Grundgesetz zur Schuldenbremse vor. Viel spannender ist doch die Frage, ob eine permanente private Nachfragelücke bzw. zu hohe Ersparnis vorstellbar ist, die durch dauerhaft immer mehr Staatsverschuldung ausgeglichen werden sollte. Falls Stephan Ewald das bejaht, wäre außerdem interessant, ob er Grenzen für die Staatsverschuldung sieht oder diese immer weiter und beliebig schnell gesteigert werden kann.

  18. Lieber Herr @Dilger. „Mutig“ liegt hier im Auge des Betrachters. Eigentlich habe ich diesen Beitrag auf Anfrage für eine andere Internet-Publikation verfasst. Aus Gründen habe ich ihn dann aber zurückgezogen. Das Einzige was hier vielleicht „mutig“ ist, ist den Beitrag auf einem Blog zu bringen dessen Herausgeber ein bekennender „Warum ich Keynesianer hasse“ ist. Für die Veröffentlichung möchte ich mich nochmals bei Arne bedanken.

    Zu ihren Fragen. Da könnte man gleich noch einmal einen Beitrag schreiben. Aber um es kurz zu machen: Unter den gegebenen Umständen (Eccles: That is what our money system is. If there were no debts in our money system, there wouldn’t be any money.) glaube ich das periodische staatliche Defizite der Normalfall sein sollten. Irgendwer muss die Ersparnisse des Privatsektors recyclen. Wenn das der Privatsektor via Investitionen nicht macht dann bleibt nur der Staatssektor. Die Höhe des staatlichen Defizits ist somit abhängig von den Spar- und Investitionsentscheidungen des Privatsektors und dem Konjunkturzyklus. Gibt es eine Grenze für die Höhe des periodischen staatlichen Defizits? Ja. Die Inflationsschranke.

  19. Sehr schöne Beitrag der einen dann im Regen stehen lässt. Denn was ist denn daraus die politische Konsequenz? Das wir in einem Land in dem bei Volksabstimmungen 70 Prozent der Wähler_innen für die Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung stimmen (Hessen), jetzt die Abschaffung dieser Verfassungsänderung fordern? Ich halte das zwar für richtig, aber auch gegenwärtig nicht für durchsetzbar – dazu fehlt mir noch ein klares Wort. (Mal abgesehen davon – was spricht unter den aktuellen Voraussetzungen denn gegen eine Vermögensteuer?)
    Zur Frage der antitzyklischen Fiskalpolitik bin ich hier schon ein wenig erstaunt über Beiträge wie von Herrn Dilger. Die bisher implementierten Regelungen zur Schuldenbremse zielen darauf ab, dass man zwischen einem konjunkturellen und einem strukturellen Defizit unterscheidet. Das definitiv unerwünschte Defizit ist dabei nur das strukturelle. Das Problem dabei ist, dass es faktisch kein haltbares Modell gibt, dass ein strukturelles von einem konjunkturellen Defizit unterscheiden kann (schon über die Definitionen kann man sich wunderbar streiten). Am Ende werden in diesen Modellen mittelfristig auftretende Defizite aber immer zu strukturellen erklärt – oder noch besser: Es werden konkrete Haushaltsüberschüsse gefordert aufgrund von zweifelhaften Statistischen Modellen die eine Überauslastung der Produktionskapazitäten errechnen.

  20. Lieber @stefan. Das mit dem im Regen stehen lassen stimmt bedingt. Die ursprüngliche Anfrage an mich war ein Erklärstück über Schuldenbremsen zu schreiben. Ich habe absichtlich keinen politischen „Wunschkatalog“ mit „Das muss jetzt passieren!“ angefügt. Die Schlüsse aus der Lektüre wollte ich eigentlich dem Leser überlassen.

    Ich habe auch gar nichts gegen Steuergerechtigkeit und „linke“ Umverteilung via Steuern. Allerdings ist der Vorschlag der ILO Autoren 60 – 150 Milliarden für Investitionen nur via Steuern einzutreiben absurd. Warum sollte die jetzige Generation Zukunftsinvestitionen ausschliesslich aus dem Steuer Cash-Flow finanzieren wenn gerade zukünftige Generationen überproportional von diesen Investitionen dann profitieren?

  21. @ Stephan Ewald, hinsichtlich der Zinshöhe auf Staatsanleihen bei Downratings – das hängt doch davon ab, wer nach den Anleihen fragt und in welchem Ausmaß (sie verstehen sicher den Hinweis hinsichtlich Japan und BoJ). Derzeit noch[!!!] beträgt für die Banken im EU-Raum das Risikogewicht von Staatsanleihen in eigener Währung oder EU 0 % [Basel III-Übergangsregelung bis 31.12.2016]. Ab 2017 ändert sich das – dann müssen Staatsanleihen auch in eigener Währung mit einem von den Ratingagenturen vergebenen Rating hinsichtlich Eigenkapitalanforderungen von den Banken geratet werden, noch Fragen 😉 Gruß Christoph

  22. Lieber @CGB Christoph. Womit wir bei einem sehr interessanten Punkt wären, der allerdings wenig mit dem Beitrag zu tun hat. Wir sprechen hier über einen grundlegenden Konstruktionsfehler der Eurozone. Da alle Mitglieder dieser schiefen Währungsunion sich in einer Fremdwährung verschulden gibt es tatsächlich ein Insolvenz-Risiko bei in Euro denominierten Staatsanleihen. Insofern macht es Sinn diese Anleihen nicht mit dem Risiko 0% zu gewichten. Ob das allerdings im Sinne der Erfinder der EWU ist wage ich zu bezweifeln. Anyway. Das ist eine andere Debatte, die ich hier nicht unbedingt vertiefen will. Viele Grüße, Stephan

  23. @CGB
    Können Sie mir sagen, wo ich das finde. Es wäre auf jeden Fall gut, wenn die Kreditvergabe an Staaten nicht gänzlich ohne Risikogewicht bzw. nicht mit einem Risikogewicht von 0% möglich ist.

    Wissen Sie zufällig, ob dies dann nur auf Staatsanleihen zutrifft oder auch auf die direkte Kreditvergabe?

  24. @Ewald
    „Da alle Mitglieder dieser schiefen Währungsunion sich in einer Fremdwährung verschulden“

    Sie wollen aber hoffentlich niemanden erzählen, dass der Euro in Deutschland eine Fremdwährung ist. Ihre Annahme ist also grob falsch.

  25. Lieber @mister-ede. Doch. Leider ist ihre Annahme grob falsch. Aber wie gesagt: Das ist eine Debatte, die nur sehr wenig mit meinem Beitrag zu tun hat. Wenn sie lieber in dieses Thema hier in den Kommentaren einsteigen wollen dann müssen sie das ohne meiner Wenigkeit machen. Viel Spaß weiterhin beim Kommentieren.

  26. @mister-ede, diese Neckigkeiten werden aber jetzt nicht weiter ausgeweitet. Zur Frage, Fremdwährung oder nicht: Offensichtlich kann Griechenland sich frei aus der EZB-Geldmaschine bedienen, also ist es für Griechenland keine Fremdwährung.

  27. Häschen sagt

    Solange Politik nicht klar ist, dass Geld mehrmals weitergereicht werden soll und nicht das mit Geld verbundene Tauschpotential mehrmals ausgegeben wird das Vehikel Staat die Aufnahme von Schulden müssen verweigern.

    Ich kann den Argumenten einer Fiskalpolitik nur soweit folgen, als der Staat vorhandene Umverteilungskapazitäten kann auslasten. Das Problem wird dann eher sein, dass eine echte Investition die mehr Tauschmittelzufluss aus dem ausgeweiteten Finanzierungsrahmen erlaubt nicht zu machen ist, da offensichtlich die Privatwirtschaft selbige Investitionen nicht findet. Dann bleibt eben noch die investitionsähnliche Kategorie, Investieren um Abfluss in der Zukunft zu vermeiden. Der Staat kann an sich relativ verlustfrei investieren in Themen für die Privatwirtschaft die Finanzierung nicht kann stemmen. Es bleibt dann die Frage, ob das schreiben von Rechnungen durch den ‚Staat‘ genauso positiv wird wahrgenommen wie der Gewinn eines großen Unternehmens. Auch der ‚Staat‘ hat das Problem, dass soviele Geschäfte die der Charakteristik folgen, dass zeitnahe Einnahmen auch zeitnahe wieder ausgegeben werden auch überschaubar wurden.

    Der Wohlfahrtstaat für Unternehmen wie in Deutschland bleibt trotzdem ein Wohlfahrtsstaat.

    Das Problem das ich sehe bei Keynesianer ist eher, dass die noch ganz die Charkteristik eines zweistufigen Umlageverfahrens in ihre Theorie haben einfließen lassen. Durch die Ausweitung des Finanzierungsrahmens wurden Unternehmen ja zu Werksküchen. Es wird ja ganz massiv anstatt mit Geld mehrmals zu tauschen, sprich das Tauschpotential weiterzureichen eher der Weg gegangen mehr Zins die Früchte ausgeweiteter Finanzierungsrahmen, ausgeweitete Tauschpotentiale, umzuverteilen. Deswegen kollabiert ja auch die Umlaufgeschwindigkeit. Das Geld ist damit klarerweise nicht weg und der Chancenraum bleibt geöffnet. Aber den Chancenraum müssen eben 2 betreten. Der Nachfrager und der Anbietende. Schauen sie nach Griechenland. Mehr Tauschpotential bereitzustellen wo zu wenig zum Tauschen da ist bringt einfach nichts.

    Abhängig finanzierte Umsätze erzeugen kein Wachstum – systemisch unmöglich. Die Belastung der Arbeitskosten scheint ausgereizt. Damit gibt es kein Umverteilungspotential zu nutzen. Man kann über die Verwendungsseite argumentieren, aber so gierig wie sie sind und der nächsten Generation nichts vergönnt aus ihrer Tasche, obwohl jemand aus dieser Generation vermutlich WordPress bspw. hat implementiert und zur Verfügung gestellt in dem sie fröhlich rumschreiben. Mit so gierige Zeitgenossen ist aber kein Staat zu machen 😉

  28. Ganz interessanter Beitrag in der taz zum Thema „Öffentlich-Private Partnerschaften: Gabriels Milliarden-Angebote“ Wegen der Schuldenbremse müssen ÖPP her, dürfen aber nicht mehr so heißen weil der Begriff „ÖPP“ bei den Bürgern nicht so gut ankommt. Die Versicherungen fordern gleich mal eine garantierte Rendite von 7% und praktischerweise darf Herr Thomas Mayer als Vertreter der Vermögensverwalter bei der Gestaltung der ÖPP oder des „öffentlichen Finanzintermediär“ im Bundeswirtschaftsministerium gleich selbst mithelfen.

  29. @CGB
    Der Euro ist die Währung der Wirtschaftsgemeinschaft und damit die Landeswährung der Euro-Länder. Dies gilt umgangssprachlich genauso wie regulatorisch. Wenn mit „Fremdwährung“ darauf abgestellt werden soll, dass die EZB entscheidet und nicht die Bundesbank, lässt das meines Erachtens recht tief blicken.

    Ansonsten der kurze Hinweis: Ich habe mich schon etwas ausführlicher mit Basel III beschäftigt und dort gilt Art. 114, IV. Ich greife das in meinem Rechenbeispiel auch extra auf:
    http://www.mister-ede.de/wirtschaft/rechenbeispiel-zu-basel-iii/3008

    Daher die Nachfrage, weil mir nicht bewusst ist, dass dieser Artikel ab 2017 wegfallen soll.

    Beste Grüße
    Mister Ede

  30. @CGB: Dort heißt es: „Allerdings können die nationalen Aufsichtsinstanzen nach eigenem Ermessen geringere Risikogewichte zulassen, wenn die Forderungen auf die Währung des betreffenden Landes lauten und in dieser refinanziert werden.“ ( http://www.bis.org/publ/qtrpdf/r_qt1312v_de.htm )

    Und genau das macht die CRR mit Art. 114 IV.

  31. CGB sagt

    Dazu noch ziemlich bezeichnend dieses Papier: http://www.ecb.europa.eu/ecb/legal/pdf/de_con_2014_23_f_sign.pdf (62 kB), S. 2: „Nach der Umsetzung des CRD-IV-Pakets2 und der technischen Melde- und Durchführungsstandards der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde wird die FMA [Österreichische Finanzmarktaufsicht] mit Wirkung zum dritten Quartal des Jahres 2014 keine Daten zu Kredit- und Länderrisiken von Kreditinstitutsgruppen mehr erheben. Dennoch benötigt die OeNB [oesterreichische Nationalbank] diese Daten, um ihre Aufgaben in Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Finanzstabilität weiterhin ausüben zu können. Dementsprechend plant die OeNB den Erlass des Verordnungsentwurfs auf der Grundlage von § 44b Absatz 2 des Nationalbankgesetzes, um Informationen zu Kredit- und Länderrisiken von Kreditinstitutsgruppen und deren
    Auslandstochterbanken erheben zu können.“
    Und dann Conclusio der EZB auf S. 3: „Die EZB würde es begrüßen, wenn die österreichischen Behörden angesichts der möglichen Wechselwirkung des statistischen Rahmenwerks der EZB mit den Zielen des Verordnungsentwurfs die Entwicklung des Rahmenwerks verfolgen würde.“

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