Der Streit um Google ist neu entbrannt. Und Sigmar Gabriel ist mit seinem wahlkampfbedingtem Essay in der FAZ daran schuld. Aber in seiner Argumentation greift Gabriel zu kurz.
„Eine Entflechtung, wie sie bei Strom- und Gasnetzen durchgesetzt wurde, muss dabei ernsthaft erwogen werden. Sie kann aber nur ultima ratio sein.“
Dieses Zitat ist Ausgangspunkt der neuen Diskussion.
Ein großes Problem an Gabriels Essay ist aber, dass er Wettbewerbsaspekte und Datenschutzaspekte nie sorgfältig voneinander trennt. Darum will ich das hier zu Anfang nachholen: Ja, es ist richtig, dass mangelnder Datenschutz gerade dadurch zu einem Problem wird, dass es Internetkonzerne wie Google gibt, die eine Vielzahl unterschiedlicher Daten über ihre Nutzer sammeln und analysieren können. Umgekehrt sind Großkonzerne wie Google aber nicht automatisch eine Bedrohung für den Datenschutz, sondern nur, wenn die Bestimmungen zum Datenschutz oder die Durchsetzung des Datenschutzes unzureichend ist.
Für den Wettbewerb dagegen ist allein schon die Größe von Google eine Bedrohung. Das wichtigste Problem ist dabei vielleicht gar nicht so sehr der Suchmaschinenmarkt, obwohl Google dort einen überragenden Marktanteil hat.
Es spricht vieles dafür, dass Google schnell Marktanteile verlieren würde, wenn eine andere Suchmaschine eindeutig überlegen wäre. Und es spricht zumindest immer noch einiges dafür, dass es auch einem Außenseiter nach wie vor möglich wäre, eine technisch überlegene Suchmaschine aufzubauen, wenn er auch eine überlegene Idee dafür hätte.
Das wichtigere Problem scheint mir, dass Google seine Marktmacht auf dem Suchmaschinenmarkt nutzt, um die Nutzer geschickt auf eigene Angebote zu lenken, auf Youtube z.B. oder auf eigene Produktvergleichsseiten, siehe den Beitrag „Kampf ums Monopol“. Und hier setzt Gabriels Idee von der Entflechtung an.
Gabriels Vergleich mit den Strom- und Gasnetzen hinkt aber. So sind die Betreiber der Stromnetze verpflichtet, Strom von ihren Mitbewerbern diskriminierungsfrei zum Kunden durch ihre Netze zu leiten. Strom und Gas sind allerdings standardisierte Güter. Es wäre darum unsinnig, wenn ein Stromnetzbetreiber den Durchlass des Stroms eines Konkurrenten mit der Begründung verweigern würde, dieser Strom hätte eine schlechtere Qualität.
Ganz anders bei Suchmaschinen. Wenn Google die Internetseite eines Mitbewerbers ganz weit hinten auf die Ergebnisliste setzt, dann ist die Begründung natürlich offiziell immer, diese Seite habe (zumindest nach der Analyse durch die Google-Algorithmen) eine schlechte Qualität. Es ist ja gerade das Geschäft von Google, Seiten zu diskriminieren und damit Seiten von geringer Relevanz höchstens ganz weit unten in der Ergebnisliste anzuzeigen.
Qualität hat allerdings eine Vielzahl von Dimensionen, die nicht selten auch subjektiv sind. Es ist darum müßig, sich mit Google darüber zu streiten, warum einzelne Suchergebnisse wie angezeigt werden, so wie das die EU-Kommission seit dreieinhalb Jahren macht.
Gabriels Idee (die natürlich nicht originär seine Idee ist), Google zu entflechten, bringt da mehr. Sie ist nicht „ultima ratio“, wie er selbst meint, sondern der zu bevorzugende Ansatz. Aufgrund der besonders schwierigen Problematik, die Diskriminierung von konkurrierenden Inhalteanbietern nachzuweisen, wird man sogar eher noch weiter gehen müssen als bei den Stromkonzernen.
Die Stromkonzerne sind zwar zu einer sehr weitgehenden Trennung ihrer Unternehmensteile Netzbetrieb und Stromvertrieb genötigt, beide Unternehmensteile können allerdings noch unter einem Konzerndach verbleiben.
Für Suchmaschinenanbieter wie Google wäre es allerdings besser, gleich vorzuschreiben, sich von allen Anbietern und Plattformen von Webinhalten vollständig zu trennen. Das ist die Zerschlagung. Sie geht über eine konzerninterne Entflechtung hinaus.
Zerschlagung bedeutet dagegen nicht Enteignung. Auch die wurde ja schon einmal für Google diskutiert. Eine öffentlich-rechtliche Suchmaschine würde uns allerdings viel mehr Probleme schaffen als das private Google.
Für die Zerschlagung müsste die EU eine eigene Richtlinie schaffen. Über die internationale Durchsetzung mache ich mir wenig sorgen, solange Google noch in der EU eine Adresse hat, an die man Bußgeldbescheide zustellen kann.
Nicht einleuchtend ist auch, warum eine Entflechtung oder Zerschlagung impraktikabel sein soll, wie der Düsseldorfer Ökonom Justus Haucap laut dts meint. Es geht ja gerade nicht darum, dass Google Vorschriften gemacht werden sollen, wie was angezeigt oder auch nicht angezeigt wird. Das wäre in der Tat impraktikabel. Aber ob nun die Google-Suchmaschine und die Youtube-Videoplattform zu einem Konzern gehören oder zu zwei verschiedenen, ist doch dem Nutzer schnurzpiepegal.
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