Wirtschaftswurm-Blog

Die Vollbeschäftigung kommt! Bloß wann und wie?

„Die Vollbeschäftigung kommt!“ Das verkünden FAZ und FAS diese Woche in ihrem Themenschwerpunkt. Und ich glaube sogar, dass sie recht haben werden. Doch bis es soweit ist, kann es noch lange dauern. Und wenn es dann soweit ist, wird es auch nicht so toll sein, wie es uns die FAZ (hier) ausmalt.

FAZ-Redakteur Patrick Bernau setzt unter der Überschrift „Vollbeschäftigung? Unglaublich aber wahr“ vor allem auf die Demografie. Die geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge gehen nun nach und nach in Rente. Die Nachwuchsjahrgänge, die neu ins Erwerbsleben treten, sind viel schwächer. So wurden 1947-71 mehr als 1 Million Kinder jedes Jahr in Deutschland geboren, 2011 waren es dagegen nur noch 660.000.

Doch die Demografie wirkt nur langsam, sehr langsam. Der Jahrgang 1971 wird erst 2038 das Rentenalter erreichen. Das sind noch 25 Jahre.

Zudem setzt das Szenario „Vollbeschäftigung durch Demografie“ voraus, dass die geburtenstarken Jahrgänge zwar nach und nach aus dem Erwerbsleben ausscheiden, aber als Rentner und Pensionäre weiterhin eifrig konsumieren und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage hoch halten.

Das kann noch schwierig werden.

Natürlich könnte man Renten und Pensionen durch höhere Beiträge zur Rentenversicherung und höhere Steuern finanzieren. Dann würden wir zwar Vollbeschäftigung bekommen, hätten vielleicht auch hohe Bruttolöhnen, netto bliebe allerdings nicht mehr viel übrig.

Mit der kapitalgedeckten Rente glaubte man eine Zeit lang, das Ei des Kolumbus gefunden zu haben. Unsere Rentenfonds investieren jetzt z.B. im sonnigen Süden und die Griechen und Spanier zahlen später, wenn wir alt sind, alles mit Zins und Zinseszins zurück.

Dann kam allerdings die Eurokrise.

Andere Lösungsmöglichkeiten für das Problem zielen darauf, den Anteil der arbeitenden Bevölkerung an der konsumierenden Bevölkerung wieder zu erhöhen bzw. zumindest nicht ganz so stark sinken zu lassen. Das ist der Fall, wenn man das Renteneintrittsalter erhöht. Aus der Möglichkeit, immer arbeiten zu können, würde so die Pflicht, lange arbeiten zu müssen. Den Anteil der arbeitenden Bevölkerung kann man gleichfalls erhöhen, wenn man die Einwanderung fördert.

Es bleibt jedoch ein Dilemma. In dem man versucht, den Anteil der arbeitenden Bevölkerung hoch und die Renten finanzierbar zu halten, schwächt man genau den Faktor, der die Vollbeschäftigung herbeiführt.

Wie man das Dilemma löst, ist letzlich eine politische Entscheidung. Vollbeschäftigung, so mein Eindruck, hat dabei keine hohe Priorität. Im gerade beginnenden Bundestagswahlkampf ist Vollbeschäftigung zumindest bislang kein Thema.


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10 Kommentare

  1. andre schwaermer sagt

    In Zeiten des Produktivitäts-Mantras und der Ablösung menschlicher Arbeitskräfte von Vollbeschäftigung auch nur zu reden, ist doch ein böser Witz!

    Vollbeschäftigung kommt mit http://www.bandbreitenmodell.de oder gar nicht!

  2. sebastian sagt

    Vollbeschäftigung erreicht man wenn man alle zu erledigende Arbeit auf alle Erwerbsfähigen irgendwie verteilt bekommt.
    Im Idealfall erledigt sich das auf natürliche Weise (Angebot und Nachfrage).
    Je größer der graduelle Eingriff desto näher die Planwirtschaft.

    In einem Zeitalter in dem das Angebot durch (künstliche) Maschinenarbeit dermaßen hoch ist, daß dieses durch (natürliche) Nachfrage nicht mehr abgegriffen werden kann, bedarf es weiterer (künstlicher) Nachfrage.

    Wie schafft man (künstliche) Nachfrage wenn gar nichts (natürlich) nachgefragt wird?

    Man könnte Menschen beispielsweise intensiv einreden, daß sie etwas benötigen, von dem sie vorher gar nicht ahnten, daß sie es brauchen.

    Man könnte z.B. auch Dinge reparieren, welche (vorher) gar keiner Reparatur bedurften.

    @ andre
    Verstehe ich Dich richtig?
    Du hälst es für einen bösen Witz (aufgrund irgendwelcher Umstände) von Vollbeschäftigung zu reden, und schlägst im nächsten Satz das Bandbreitenmodell zur Erreichung von Vollbeschäftigung vor?

  3. Pingback: 5 vor 10: Leitzins, Steuerpolitik, Spanien, Vollbeschäftigung, Euro | INSM Blog

  4. Wirtschaftswurm sagt

    Gibt’s eigentlich schon Wissenschaftler, die sich mit dem Bandbreitenmodell beschäftigt haben?

  5. Pingback: Kleine Presseschau vom 3. Mai 2013 | Die Börsenblogger

  6. Häschen sagt

    Ist Vollbeschäftigung erstrebenswert? Hat jemand was davon? Außer jetzt die einfachere Umverteilung. Es gibt mehr Steuerzahler im besten Fall, ob das viel bringt außer die seltsam anmutenden Stadtverschönerungen nachdem dem Bürger zuvor Steuern und Abgaben in höchst ungewöhnlichen Ausmaß abverlangt wurden.

    Deutschland wird Vollbeschäftigung bekommen, weil keiner mehr da bleibt. Auf dem Weg kommt sie sicher. Eigentlich hat es noch jeden insbesondere Ostdeutsche der nach Österreich kam ganz gut gefallen bei uns. Ist ein kein wunder. Wer noch nicht ausgewandert ist, ist auf Hartz IV … ganz befremdlich.

  7. Pingback: NAIRU und demografischer Wandel in Deutschland | Saldenmechanik

  8. milos sagt

    OT aber natürlich erfreulich: Herzlichen Glückwunsch!!

  9. Ktrd sagt

    Herzlichen Glückwunsch zum comdirect Finanzblog Award 2013!
    Auf viele weitere Jahre.

    Gruß Ktrd

    P.S. wusste nicht so recht, wo ich den Glückwunsch hinterlassen sollte.

  10. macsoja sagt

    Die Frage ist doch, was man als „Vollbeschäftigung“ definiert.

    Wenn in Zukunft die Menschen schon mit 30h pro Woche „vollbeschäftigt“ sind, d.h. mehr lt. Arbeitsverträgen nicht vorgesehen ist, dann kann man es erreichen.

    Ob aber alle von Ihrer (Voll)-Beschäftigung auch entsprechend (über)leben können, ist eine andere Frage.


    Aus meiner Sicht ist es aber so:
    Solange es keine (harte) Regulation gibt, bestimmte Auswüchse einzudämmen und den Reichtum einer Gesellschaft gerechter zu verteilen, solange wird auch die Schere zwischen denen, die zu wenig haben und denen die zu viel haben immer weiter aufgehen.
    Ob nun Beschäftigung oder auch Wohlstand.
    Wenn es aber eine Regulation gibt, besteht die Gefahr, das Leistungsträger abwandern, weil sie dann hier keine Motivation mehr haben, Leistung zu erbringen.
    Insofern würden auch Fortschritt und Entwicklungstempo abnehmen, weil ein Mehr und Besser nicht mehr gefördert wird.

    Die Frage ist, ob das schlimm ist – für unsere Umwelt sicher nicht.

    Aber solange das nicht global passiert und man woanders in unserer globalisierten Welt diesen Vorteil sofort ausnutzen würde, solange ist das alles illusorisch und es bleibt, was es ist, ein Kampf um knappe Ressourcen.
    Ob nun Öl, Wasser, Boden oder auch Arbeitskräfte.

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