Nach Sarrazin also nun Peter Bofinger. „Zurück zur D-Mark? Deutschland braucht den Euro
“ betitelt Bofinger sein Buch über die Eurokrise und macht es schon damit zum Anti-Sarrazin. „Die Welt“ hat nun einen Auszug aus dem Buch veröffentlicht, der nicht ohne meinen kritischen Kommentar auskommen kann.
Hauptthema des Buchauszuges ist die wahrscheinliche Aufwertung einer neuen D-Mark. Dabei kann man bereits Zweifel daran haben, dass eine wiedereingeführte D-Mark extrem aufwerten wird, denn die Fluchtgelder aus Südeuropa sind ja schon hier. Welches Kapital soll nach einem Euroaustritt zusätzlich nach Deutschland strömen und für Aufwertungsdruck sorgen?
Vor allem taugen Bofingers abschreckende Beispiele wenig. Er nennt Japan, China und die Schweiz; Länder, die angeblich durch einen Aufwertungsdruck leiden. Nun, zwei der drei Länder, nämlich China und auch die mit Deutschland besser vergleichbare Schweiz, hatten in den letzten 10 Jahren ein höheres Wirtschaftswachstum als Deutschland. So schlecht lebt es sich also mit einer im Wert steigenden Währung keineswegs.
Und schauen wir uns einmal Japan genauer an. Der Langfristchart Euro (vormals ECU)/Yen zeigt zunächst einmal keine durchgehende Aufwertungstendenz des Yen (bzw. Abwertungstendenz des Euro/ECU). Es gab vor allem zwei längere Aufwertungsphasen, von 1990 bis 1993 und nun seit 2008. Die erste Phase war zudem zunächst eine Gegenreaktion zur vorangegangenen drastischen Abwertung nach dem Platzen der Immobilienblase 1989.
Noch wichtiger: Die Aufwertungsphasen haben den japanischen Export nicht ernsthaft behindert. Japan hatte erst 2011 zum ersten Mal seit 1980 ein Leistungsbilanzdefizit. Das Defizit 2011 war aber zu einem großen Teil durch den Produktionsausfall nach der Tsunami-Katastrophe verursacht. In all den anderen Jahren lieferte der Außenhandel einen Beitrag zum japanischen Wirtschaftswachstum. Wenn Japan Probleme hat, dann liegen sie woanders.
Folgt man Bofinger, mussten Chinesen, Japaner und Schweizer Devisen ankaufen, um dem üblen Aufwertungsdruck ihrer Währungen zu begegnen. Und indem sie sich damit Dollar- und Euroanleihen beschafften, gingen sie eine Haftungsgemeinschaft mit den USA und der Eurozone ein. Auch ohne Euro, so Bofingers Argument, ist also eine Mithaftung nicht zu vermeiden.
Doch die Devisenkäufe der drei Länder waren nicht ohne Alternative. Sie waren vor allem Lobbypolitik für die Exportindustrie. Daher ist auch die Mithaftung durch den Kauf fremder Staatsanleihen nicht zwangsläufig.
Mir erscheint es schizophren, einerseits die Eurozone in der jetzigen Größe und Ausdehnung zu verteidigen, andererseits aber gegen die einseitige Exportausrichtung der deutschen Wirtschaft zu wettern. Die Währungsunion ist nichts anderes als eine Subvention für die deutsche Exportindustrie, allerdings eine Subvention, die uns teurer zu stehen kommt, als anfangs gedacht.
Im Übrigen könnte man die Leistungsfähigkeit der Devisenmärkte auch durch kluge Regulierung statt durch punktuelle Ankäufe verbessern. Leider hat sich die Wirtschaftswissenschaft mit diesem Thema (zumindest meines Wissens nach) nur wenig beschäftigt. Ich glaube, dass es auf diesem Feld nicht unbedingt um besonders umfangreiche Einschränkungen auf den Devisenmärkten geht, sondern um wenige, aber effiziente. Kontrollen des internationalen Kapitalverkehrs sollten kein Tabu mehr sein.
Also, man darf doch wohl davon ausgehen, dass, derjenige, der einen Wirtschafts-Blog betreibt, makroökonomische Zusammenhänge kennt. Aber auch die unlogischen Seiten der Ökonomik der letzten 40 Jahre kennt. Insoweit sind Umstände einer Aufwertung der DM im Falle des Scheiterns der Eurozone ja nicht allein davon abhängig zu machen, wie viel Geld in ein Land (hier Deutschland) strömt, sondern wie andere Länder (Währungen) darauf reagieren und ihrerseits auf- oder abwerten. Die Schweiz bietet hier einen unprobaten Vergleich, da die Schweiz, um die Aufwertung des Franken zu verhindern inzwischen für mehr als 360 Milliarden Euro aufgekauft hat. Die Wachstumsraten der(BIP) sind nicht zuletzt einer ungleich besseren Binnennachfrage und Investitionen im Land geschuldet. Minijobs und einen Niedriglohnsektor wie in Deutschland gibt es in der Schweiz überhaupt (noch) nicht. Die Aufwertung der DM beim Scheitern des Euro zu vernachlässigen wäre deshalb wohl eher eine Art Vogel-Strauß-Politik, um sich selbst Mut zu machen oder der Versuch, sich und anderen einzureden, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Das wäre aber dann nichts anderes als Voodoo-Ökonomie. Bofinger dürfte mit seinen Befürchtungen – die ja wissenschaftlich nicht unbegründet sind – eher näher an der Wahrheit liegen, als man aufgrund ideologischer Vorbehalte bereit ist zuzugeben .
Pingback: 5 vor 10: Altersvorsorge, Energiepolitik, Währung, SPD, US-Präsidentschaftswahlkampf | INSM Blog
Pingback: Kleine Presseschau vom 26. September 2012 | Die Börsenblogger
@popper,
zunächst glaube ich nicht, dass Begriffe wie Voodoo-Ökonomie in der Diskussion helfen. Ich behaupte ja nicht, dass ich die Folgen eines Euroaustritts Deutschlands bis ins Detail vorhersagen kann. Doch Risiken birgt jeder Weg. Der Weg der Rettungseuropäer hat in Spanien und Griechenland zu einer Wirtschaftskatastrophe geführt mit 25 % Arbeitslosigkeit. Der Euro ist trotzdem keineswegs gerettet. Wer möchte diesen Weg noch verteidigen?
@Wirtschaftswurm
Obwohl Sie in ihrer Replik ziemlich vom Sachgegenstand abweichen, gebe ich ihnen in ihrer Einschätzung des bisher Erreichten durch die „Rettungseuropäer“ völlig recht. Ändert aber nichts an der Einseitigkeit ihrer Bewertung hinsichtlich Bofingers Aussage zu der Frage: Zurück zur D-Mark?…usw.
Gruß
popper
@Wirtschaftswurm
Damit suggerieren aber irgenwie, dass es nur zwei mögliche Wege gibt. Entweder der der bisherigen Politik, der im wesentlichen darin besteht die südlichen Länder zu immer exzessiveren Sparmaßnahmen zu zwingen, im Umtausch für deutsche Kredite – dieser Weg ist tatsächlich gescheitert. Oder aber die Auflösung der Währungsunion. Nur die „Rettungseuropäer“, falls Sie darunter Bofinger und co. verstehen, und NICHT Hans-Werner-Sinn, Jens Weidmann und andere , schlagen ja schon seit Jahren einen dritten Weg – nämlich das Vervollständigen der Währungsunion um die Elemente, ohne die eine Währungsunion nicht funktionieren kann – Fiskalunion, Transferunion, Bankenunion usw – also Richtung „optimal currency area“. Dieser Weg ist erst am Anfang, daher kann man vom Scheitern wohl kaum sprechen.
Zwischen diesen beiden Wegen – Vertiefung der Währungsunion und deren Auflösung werden wir wählen müssen. Beide Wege sind mit Chancen und Risiken verbunden, und es ist m.E keineswegs so eindeutig, dass der zweite Weg der bessere für Deutschland und für Europa ist.
Ganz recht, @Alex Hummel, den dritten Weg gibt es auch noch. Wenn man den dritten Weg konsequent verfolgen würde, könnte man sogar kurzfristig Erfolge erreichen. Es wird sich dann aber mMn bald herausstellen, dass Europa zu komplex ist für eine enge Fiskal- und Transferunion. Das Gebilde wird nicht mehr steuerbar sein, auch, weil keine eindeutigen Verantwortlichkeiten geschaffen werden.
Pingback: Euro-Ausblick, Algo-Trading und die D-Mark
Und den intelligentesten Vorschlag zur Euro-Krise hat Berlusconi… 😀
http://www.welt.de/politik/ausland/article109541391/Berlusconi-im-Rausch-der-Deutschland-Schelte.html