Wirtschaftswurm-Blog

Konkurrenz durch den IS: Immer mehr Mittelalter-Schausteller geben auf

Mittelaltermarkt in Deutschland

Dramatische Umsatzeinbrüche einer Traditionsbranche wegen Billigkonkurrenz aus Nahost. Die Betroffenen fordern nun Hilfe von der deutschen Politik.

Kevin Seebach ist Chef der Truppe „Ordo Lupusulusenis“. Mit 15 Leuten ist die Gruppe jedes Jahr in der Saison durch die Lande gezogen. Mit dabei: Landsknechte, Ritter, Barden, Händler und Handwerker. „Ordo Lupusulusenis“ trat auf Mittelaltermärkten und ähnlichen Spektakeln in ganz Deutschland auf.

Doch damit ist nun Schluss. Die Schaustellertruppe hat beschlossen, sich aufzulösen. „Die Saison 2014 lief sehr schlecht,“ so Seebach, der selbst einen Waffenschmied spielte. „Ab Juni spürte man deutlich, dass die Besucherzahlen auf den Märkten zurückgingen. Und bis zum Ende der Saison wurden es immer weniger. Wir haben auch keine Hoffnung, dass sich die Lage im nächsten Jahr wieder verbessern könnte.“

„Ordo Lupusulusenis“ ist kein Einzelfall. Marlies Hunger, Vorsitzende des Verbandes der Mittelalter-Schausteller (VdMS), kennt viele, die aufgegeben haben. „Die Lage ist dramatisch. 2014 mussten die deutschen Mittelalter-Schausteller einen Umsatzeinbruch von ungefähr der Hälfte verkraften. Für 2015 erwarten wir sogar einen weiteren Einbruch um 62,3%.“

Der Grund ist ziemlich klar: der Islamische Staat, kurz IS. In Syrien und dem Irak hat der Konzern den größten Freizeitpark der Welt aufgebaut. Der IS setzt dabei vor allem auf Touristen, die ein Mittelalter-Feeling suchen.

Marlies Hunger muss zugeben, dass der IS seine Mittelalterwelt sehr professionell aufgebaut hat. Die Besucher sind vor allem fasziniert von den authentischen Kriegsspielen im IS. Dann beeindrucken die unzähligen Darsteller, die Armut so täuschend echt vorspielen, dass die Touristen das Erlebnis eines wirklichen Mitleidsgefühls bekommen. Nicht zuletzt macht ein echter Kalif die Illusion perfekt, man würde im 7. Jahrhundert leben.

Für Marlies Hunger, die Vorsitzende des Schaustellerverbandes, liegen die Hauptgründe für den Touristenansturm auf den IS aber woanders. „Der IS hat einen ruinösen Preiswettbewerb entfacht. Sehen Sie, auf einem Mittelaltermarkt in Deutschland bezahlt man für einen faden Eintopf nach einem Original-Mittelalter-Rezept vielleicht 5 Euro. Der IS nutzt dagegen die geringen Löhne im Nahen Osten aus und verlangt nur 1 Euro.“

Bei solchen Kampfpreisen ist dann auch schnell erklärt, dass es vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund und kleinem Geldbeutel zum IS zieht.

„Doch solche Konkurrenz ist einfach unfair. Die deutsche Mittelalterwirtschaft gehört zu den wenigen Branchen, die noch eine gesunde mittelständische Struktur aus vielen Kleinbetrieben aufweist. Doch nun wird das alles durch einen Großkonzern kaputt gemacht.“ Marlies Hunger klagt nicht zuletzt die internationalen Finanzinvestoren an, die auf der Jagd nach immer höheren Renditen den IS finanzieren.

Immerhin, es gibt sie noch, die Schausteller, die weitermachen wollen. Einer von ihnen ist der Jongleur Alex Kirch. „Wir brauchen allerdings Unterstützung durch die Politik,“ fordert er. „Vor allem die deutsche Regulierungswut macht uns Mittelalter-Schaustellern zu schaffen. Noch immer ist es in Deutschland verboten, auf Mittelalter-Festivals Menschen öffentlich zu foltern. Sogar das Köpfen von Menschen ist uns untersagt. Syrien und der Irak sind da schon deutlich liberaler. Gerade die öffentlichen Hinrichtungen sind im IS eine Touristenattraktion ersten Ranges. Solange wir Ähnliches nicht auch in Deutschland dürfen, haben wir kaum eine Chance, Besucher zurückzugewinnen.“

Foto von Oliver Kurz: Mittelaltermarkt


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4 Kommentare

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  2. Häschen sagt

    Das ist jetzt blöd, im Mittelalter gab es keine Computer und die Brieftaube ist zwar ein ganz ansehnlicher Ersatz, unterstützt zwar unidirektionale Kommunikation zwischen 2 Teilnehmern, aber fliegt in die falsche Richtung. Als Broadcastmedium nicht wirklich geeignet aus den beiden genannten Gründen. Dafür gibt es die Spatzen, jene die auf den Dächern sitzen.

    Teufel noch mal. So leicht hat’s einen. Die Schausteller des Mittelalters sterben, ob der mangelnde Präsenz am Internet aus. Könnt mir aber statt der Idee mit dem IS durchaus vorstellen, dass der Bedarf nach zur Schau stellen von mittelalterlicher Tradition mal gesättigt ist. Bei allen diesen Events – ein ‚unzufriedener‘ nimmt 3 andere Kunden mit.

    Was kann der Staat tun? Gute Stimmung machen wäre eine Möglichkeit. Meeting of the Generations.
    /watch?v=GvrOlKUUSlI

    Möglw. müssen sich die Jungs aus dem Mittelalter der Moderne anpassen und einen Themensommer machen. Der Kompromiss wäre eine Spezialisierung unter dem Teutonenkreuz. Angeblich haben die Teutonen das Recht bekommen, das Kreuzritterkreuz zu verwenden. Sonst wäre das eine Urheberrechtsverletzung gewesen.

    Der Saladin litt auch unter Budgetknappheit. Der war wahrscheinlich ‚angefressen‘ ob des Zinsverbots, hat aber nicht aufgegeben. Die BOE gab es zu Zeit von Löwenherz auch noch nicht. Hätte der eine Zentralbank gehabt und unser Geld, da wären die Fetzen geflogen. Das Problem ist jetzt beseitigt und die Fetzen fliegen.

    Es ist schon irgendwo traurig wofür gehortete Tauschmittel werden verwendet… eigentlich ‚der‘ Nachteil der Ungleichgewichte in der Vermögensverteilung.

    Jetzt aber ernster. Wen es interessiert: Secret of the Seven Sisters (Teil 1 von 4)
    watch?v=_TXG70xAnSU

    Kenne allein die ersten 2 Teile. Ist aber höchst interessant.

  3. Häschen sagt

    Der Artikel ist köstlich. Besser kann man das heute Vorgehen von großen Konzernen und Investmentbanken gegenüber Teilnehmern in einem balancierten Freien Markt nicht beschreiben.

    Möchte dran erinnern wie SAP den Markt damals gemacht hat.
    /watch?v=zsh_C1aWthY

    Das waren noch Zeiten …

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