Wirtschaftswurm-Blog

Der fundamentale Fehler des Paul Kirchhof

Paul Kirchhof

Paul Kirchhof spricht in einem Interview für das Handelsblatt von einem Recht, auf Finanzkapital Ertrag zu bekommen. Völlig zurecht wird Kirchhof dafür auf Twitter und in Blogs gegeißelt. Doch die Kritik greift bisher zu kurz.

Aber was hat Kirchhof genau gesagt? Hier das Zitat:

Das Verfassungsrecht verspricht jedem Bürger, dass ihm sein Finanzkapital jährlich einen Ertrag bringt. Dieses Versprechen wird nicht mehr erfüllt. Die Kernidee des Privateigentums wird abgeschafft.

Darauf meinte Twitterer Stephan Ewald, ob nicht Bargeld verfassungswidrig ist, weil es keinen Ertrag garantiert. Und Mark Schieritz fragt:

Oder wie sieht es aus, wenn ich mich an der Börse mit meinem Finanzkapital verzocke? Kann ich dann den Staat auf Wiedergutmachung verklagen?

@FORAIM schließlich stellte die Frage:

Und wann kommt das Recht, dass alle unsere Wünsche in Erfüllung gehen? Einklagbar!

Gäbe es tatsächlich ein Recht darauf, dass Finanzkapital einen jährlichen Ertrag bringt, hätte das offensichtlich ganz unsinnige Ergebnisse.

Hätten die Journalisten des Handelsblattes allerdings nachgefragt, hätte Kirchhof vielleicht differenzierter argumentiert. Er hätte vielleicht nur gefordert, dass lediglich die begründeten Erwartungen der Bürger auf einen Ertrag geschützt sind, solche Erwartungen sich im Falle riskanter Geldanlagen aber nicht zwingend erfüllen müssen.

Doch auch in so einer abgeschwächten Form ist Kirchhofs Argumentation nicht haltbar. Der Fehler Paul Kirchhofs liegt in einem ganz fundamentalen Kategorienfehler – das heißt, in einer Verwechslung von Begriffen.

Schauen wir uns einmal die ersten beiden Absätze des Artikels 14 Grundgesetz an, die Kirchhof offensichtlich als Argumentationsgrundlage dienen:

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Wenn vom „Wohle der Allgemeinheit“ die Rede ist, dem Eigentum „zugleich“ dienen soll, dann wird offensichtlich ein „privates Wohl“ des Eigentums als selbstverständlich angenommen. So weit, so richtig; und passend zu der Eigentumsgarantie.

Die Volkswirte reden statt vom „Wohl“ lieber vom „Nutzen“. Beides kann man gleichsetzen. Kirchhof sieht nun das Wohl/ den Nutzen im Falle von Finanzkapital lediglich in dem jährlichen Ertrag. Und das ist viel zu eng gedacht.

Bargeld wurde bereits angesprochen. Der Nutzen von Bargeld liegt nicht im Ertrag, sondern darin, dass man mit ihm leicht Käufe abwickeln kann.

Auch der Nutzen von Geldanlagen ist zunächst nicht der jährliche Ertrag. Der Nutzen ist die Vorsorge für „schlechte Zeiten“ (oder auch nur für einen speziellen Mangel). Zinsen geben natürlich einen zusätzlichen Anreiz zum Sparen, aber sie stellen lediglich das Sahnehäubchen dar. Ob mit oder ohne Zins, der Nutzen der Geldanlage liegt zunächst darin, dass man das Geld bis zu einem Zeitpunkt aufhebt, an dem man es sinnvoller gebrauchen kann.

Selbst eine negative Realverzinsung hebt den Nutzen nicht auf. Wenn Sparen einen Nutzen hat, darf es schließlich auch einen Preis haben. (Ob es tatsächlich einen Preis hat, entscheidet der Markt.)

Bevor das Geld und der Zins erfunden wurden, wurde übrigens auch schon gespart. Bauern lagerten einen Teil ihrer Ernte für den Winter ein. Das war natürlich richtig, auch wenn es immer mit Verlusten und Risiken, also einer negativen Realverzinsung, verbunden war. Ein Teil des Getreides wurde z.B. von Mäusen gefressen und manchmal ging auch die Scheune samt Getreide in Flammen auf.

Dass Kirchhof das „Wohl“ von Geldanlagen nur in einem „Ertrag“ sehen kann, ist ein eklatanter Fehler, dem jemand mit soliden volkswirtschaftlichen Grundkenntnissen nicht unterlaufen wäre. Man kann offensichtlich als Jurist nicht gut sein, wenn man nicht auch ein paar Grundsätze der Volkswirtschaftslehre kennt.


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14 Kommentare

  1. Aber natürlich hat Kirchof recht. Andere sind ja noch viel weiter gegangen und haben z.B. aus einem Halbsatz in Art. 5 (1) ein 8 Mrd. Euro teures öffentlich-rechtliches Rundfunksystem oder aus einigen Begriffen hier und da einen fast 50 % der Wirtschaftsleistung umfassenden Sozialstaat herbeiargumentiert.

    Grundgesetz ist what you make of it!

  2. Konrad Georg sagt

    Zu kurz gehupft

    Das Goldstück und der Silbertaler in der Truhe haben nie Zins beansprucht.

    Das Geld auf der Bank liegt aber dort nicht nur herum, sonst müßten die dort Angestellten anderswo arbeiten gehen. Ich will hier nicht deutlicher werden, weil jeder mit ein bißchen Hirn sich das vorstellen kann: Darlehen, Risiko usw. Der Eine hat Geld und ein anderer braucht momentan Geld.

    Eigentum ist dazu da, die wirtschaftliche Situation und die Freiheit des Besitzers zu sichern.

    Ein Schloßbesitzer muß in seinen schönen Gebäuden glatt verhungern, wenn er keine Einnahmen hat. Außer er verzehrt seinen Besitz.

  3. Skyjumper sagt

    Das ist schon eine merkwürdige Bemerkung von Herrn Kirchof. Kapital kann, muss aber keinen Ertrag bringen. Das hängt von der Risikobereitschaft und manchmal auch vom Glück des Kapitaleigners ab. Was das Verfassungsrecht (und ich glaube Kirchof sprach hier bewußt nicht vom GG, sondern von den diversen Urteilen des BVerG) sehr wohl sagt, ist dass der Staat sich nicht mehr als eine gewissen Teil dieses Ertrages nehmen darf, wenn es denn Ertrag gibt.
    Genau das ist derzeitig aber mit dem politisch gesteuerten Minimalzins, aus dem sich ein negativer Realzins ergibt, zumindest diskussionswürdig. Denn angeblich haben wir ja unser Fiat-Geldsystem unter anderem genau aus dem Grund, dass das Sparen ala Getreidescheune damit obsolet ist.

  4. Arne Kuster sagt

    @Skyjumper,
    ich stehe der Politik der EZB genauso kritisch gegenüber wie Kirchhof, finde aber, dass man schon die richtigen Begründungen für seine Kritik liefern muss. Die EZB ist zu kritisieren, da sie sich nicht mehr um Inflationsgefahren in Deutschland kümmert, sondern nur noch um Deflation in den Krisenländern. Das widerspricht dem Grundgesetz, siehe Die EZB will das Bundesverfassungsgericht für dumm verkaufen.

  5. das Kirchhoff zu ökonomischem Denken unfähig ist, beweist er nicht zum ersten Mal. Dieses Handicap teilt er jedoch mit der Mehrheit unserer Bevölkerung, schließlich kommen seine Ansichten nicht aus einem luftleeren Raum. Was mich als Volkswirt aber besonders ärgert: Er weigert sich anzuerkennen, daß die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik echte Vermögensverluste für den Sparer verhütet hat. Damit wurden und werden die Banken der GIIPS Staaten in die Lage versetzt, ihre Gläubiger auszuzahlen. Ansonsten hätte ein Großteil der deutschen Auslandsforderungen abgeschrieben werden müssen. Er erinnert mich deshalb an einen Hausbesitzer, der sich nach einem Feuerwehreinsatz über den Wasserschaden beschwert. Aber auch hier ist er in „guter“ Gesellschaft.
    Mein Fazit aus dem ganzen Schlamassel: keine Rettungsversuche mehr. Die ansonsten gute Idee erst stabilisieren, dann therapieren funktioniert nicht, wenn die Gläubiger keinen Beitrag leisten. Dann lieber Marktwirtschaft pur.
    Gruß, Jens

  6. Skyjumper sagt

    @ Arne Kuster

    Wie ich schon sagte: Die Bemerkung ist schon ziemlich merkwürdig. Ich tue mich allerdings schwer damit, die unterschiedlichen Kritikpunkte an der Vorgehensweise der EZB isoliert zu betrachten. Das führt m.E.n. zu suboptimalen Bewertungen, bzw. Schlußfolgerungen.
    Letztlich hängen Geldmenge und Zinshöhe, und damit die Geldwertstabilität zusammen. Ich interpretiere (das kann man sicherlich auch anders sehen) sowohl die einschlägigen §§ im GG, als auch die Urteile des BVerG, dahingehend, dass der Staat eine Verpflichtung dahingehend übernimmt, dass die Kapitalansparungen der Bevölkerung in ihrer Kaufkraft nicht durch staatliche Eingriffe beeinträchtigt wird. Ich denke nur so macht das Sinn.
    Der Staat ist sicher nicht verpflichtet den einzelnen Kapitaleigner vor selbstverzapften Fehlentscheidungen zu schützen. Geldmengenentscheidungen und Zinsentscheidungen sind jedoch staatliche Eingriffe in den Kapitalmarkt, auf die der Kapitaleigner keinen Einfluss hat, und die beide für sich, ggf. auch in Kombination, geeignet sein können die Kaufkraft, und damit den Kapitalerhalt, zu gefährden.

    Der EZB eine Grundgesetzwidrigkeit zu unterstellen weil sie sich mehr von den Deflationsgefahren der Südschiene, als von den Inflationsgefahren der Nordschiene leiten lässt, finde ich zwar nachvollziehbar, aber auch für zu kurz gedacht. 15 Jahre zurückgehend könnte man sich sonst auch fragen, ob die BuBa sich grundgesetzwidrig verhalten hat, weil sie Deflationsgefahren in Vorpommern mehr berücksichtigt hat als Inflationsgefahren in Bayern?

    Was soll die EZB denn tun? Sie kann praktisch nur eine Geldmengen/Zinspolitik fahren die sich am Mittelwert aller orientiert. Insofern ist die Kritik an der EZB unzureichend. Man sollte an solchen Punkten schlicht und ergreifend feststellen, dass der Euro unter den gegebenen Rahmenbedingungen ein Fehler war und ist. Und entweder es finden sich sinnvolle Korrektivmaßnahmen, oder der Euro gehört aufgelöst.
    Und einen Vorteil beim Bürger, ob nun in Griechenland oder in Deutschland, kann ich beim Euro nicht erkennen. Sehr wohl sehe ich aber jede Menge Risiken.

  7. Teufel sagt

    Autsch: Das Grundgesetz schützt in Art 14 das Eigentum – nicht allgemein das Vermögen. Geldanlagen sind zunächst mal lediglich Vermögen. Dass deren erworbener Bestand vielleicht noch unter die Eigentumsgarantie fällt, ist vor dem Hintergrund, dass man das auch bei Rentenanwartschaften so sieht, sicher okay, aber der Ertrag aus einer Geldanlage?? Das geht schon begrifflich nicht zusammen.

  8. Arne Kuster sagt

    @Teufel,
    darum habe ich ja unterstellt, dass er sich auf Absatz 2 Satz 2 stützt und da auf das Wörtchen „zugleich“. Aber schon das mag ja an den Haaren herbeigezogen sein.

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  10. Teufel sagt

    Naja, ich würde sagen, Schutzbereich des GR minus und damit Ende Gelände. Keine Ahnung, was das soll. hochgradiger Blödsinn.

  11. Pingback: Die EZB-Hetze | Saldenmechanik

  12. Häschen sagt

    Zurecht fordert der Herr Kirchhof den Kaufkrafterhalt der Spareinlagen. Wie schon in so mancher berechtigter Kritik angeklungen, es wird sich nicht alleine Spareinlagen der Oma die fürs Enkerl spart handeln. Geht man jetzt mal nicht von den Extremen aus, sprich die Oma oder Sparguthaben bei denen der Nettolohn nicht mehr reicht die Anpassung der Preisindizes von der Inflation ganz zu schweigen.

    Die Forderung eines Herrn Kirchhof ist vermutlich nicht realisierbar. Die Erträge stammen ja nicht aus dem Binnenmarkt Deutschland und nicht zwingend aus dem EURO Raum. Die EZB kann den Schaden begrenzen.

    Bleibt der Fall jemand der auf ein Auto spart oder ein Haus. In dem Fall wäre es durchaus sinnvoll wenn zumindest die Kaufkraft in hohem Maße erhalten bleibt. Sie können sich im Moment noch nicht mal ein Haus mit Grund vom Mund absparen. Nach 20 Jahren können sie sich grad mal ein Stapel Dachziegeln kaufen:) Etwas übertrieben formuliert. Wenn sie das Geld für ein Haus auf dem Sparbuch haben, reicht das Nettogehalt nicht aus die Geldentwertung kompensieren.

    Ein Dach über dem Kopf ist Luxus. Nicht jeder wohnt zwingend in einer in die Natur integrierten Siedlung aus Blockhäusern. Zumindest sollte man nicht als Ergebnis von harter Arbeit das als die mögl. Alternative haben.

    Ich vertrete im Moment eher die Auffassung. Von der EZB selbst geht kein Inflationsdruck aus. Eine Liquidtätsfalle stört keinen der davon profitiert sei ergänzend angemerkt. Politisch ist nichts praktischer, ökonomisch ist nichts tödlicher am langen Ende. Diese zu beenden braucht es Zinserhöhung und höhere Gehälter. In diesem Zusammenhang hat er recht. Ich unterstelle der EZB sogar, dass sie aktiv mitwirkt diese Liquidtätsfalle zugunsten ihrer Klientelle aufrecht zu erhalten.

    Ein Beispiel: Ein kleiner Dackel kommt noch einer langen Wanderung am steinigen Boden durstig zu einem Teich. Er freut sich und läuft eilig gegen das Ufer und plumpst hinein, da das vermeintliche Gras am Rand sich als Schilf entpuppt. Dann steht er da mit gewaschenem Hals. Verständlich aber naja …

    Den Fall (Verlust aus Buchwerten – Aktien usw…) den wird man schwer abfangen können und auch nicht zwingend wollen. Wer zu teuer kauf den bestraft das Leben. Der BMW um 50% reduziert ist ein Schnäppchen, die BMW Aktie um 50% reduziert ist ein Crash … falsche Auffassung von Vermögen. Aktien sind nach dem IPO – Handel von Stimmrechten die in der Praxis kaum ausgeübt werden und als Kompensation erhält man halt Schweigegeld in Form von Dividenden. Alles andere ist noch weniger Volkswirtschaftlich relevant im Sinne der Spareinlage.

    Zurück zum Dackel. Der Dackel prüft sorgfältig den Untergrund und versucht seinen Durst zu stillen. Wenn jetzt jemand das Wasser (Kaufkraft) aus dem Teich auslässt, dann kann man dem Dackel aber nicht vorwerfen auf glitschigen Untergrund geraten zu sein und halt am Rand ins Wasser geplumpst zu sein. Um den Fall geht es.

    Jens Weidmann
    „Der Sparer muss sich darauf verlassen können, dass wir den Wert des Geldes stabil halten. Vor allem muss er darauf zählen können, dass wir die Zinsen rechtzeitig erhöhen, wenn die Inflationsrisiken wieder zunehmen“,
    – Ich habe in meinen Anleihen in der Stufenzinsanleihen einen signifikanten Sprung in 2015 um ca. 2% drinnen.

    Die wahren Kaufkraftverluste finden woanders statt. Aber das ist jedem hier sowieso klar.

  13. Häschen sagt

    sprich die Oma oder Sparguthaben bei denen der Nettolohn nicht mehr reicht die Anpassung der Preisindizes ,von der Inflation ganz zu schweigen, auszugleichen

  14. Pingback: Zum neuen Jahr | Wirtschaftswurm

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