Wirtschaftswurm-Blog

Bevor wir überhaupt über Familienpolitik diskutieren können …

159 familienpolitische Leistungen des Staates gibt es. Etwa 200 Milliarden € werden dafür ausgegeben. Der größte Teil verpufft laut aktuellem „Spiegel“ wirkungslos. Aber was heißt Familienpolitik? Und wann ist Familienpolitik wirkungslos? Bevor wir überhaupt über Familienpolitik diskutieren können, müssen wir ihre Ziele klar bestimmen.

Frank Lübberding („Mit dem Pampers-Bomber zur effizienten Familienpolitik“) wildert im Spiegel-Bericht herum und erklärt, warum diese oder jene Leistung eigentlich gar keine Familienpolitik ist. Allgemeine Maßstäbe scheint er dabei nicht zu haben. Angesichts vielfältiger Überschneidungen ist die Abgrenzung der Familienpolitik tatsächlich nicht einfach. Aber die von Lübberding angeführte Witwenrente z.B. ist nicht deswegen keine Familienpolitik, weil sie Rentenpolitik ist. Sie ist eben beides.

Stefan Sasse meint in „Familienpolitik an den Pranger“, man könne trefflich darüber streiten, was in der Familienpolitik genau als effizient anzusehen sei. Doch anstatt dies zu machen, geht er zu Einzelfragen über. Ich bleibe dagegen lieber zunächst beim Grundsätzlichen. Um Effizienz zu beurteilen, muss man sich erst einmal über die Ziele im Klaren sein.

Klare Ziele findet man auch in der Bundesregierung nicht. Auf den Internetseiten des Bundesministeriums für Familie und anderes bekommt man zumindest keine klaren Aussagen.

  • Zum demografischen Wandel heißt es lediglich: „Umso wichtiger ist es, diese Herausforderung anzugehen.“ Aha.
  • Unter dem Stichwort „Leistungen und Förderungen“ schreibt man zwar, dass die „Unterstützung und Hilfen für Familien zielorientiert ausgerichtet“ werden sollen. Zum Oberziel selbst findet man aber lediglich Folgendes: „Die Bundesregierung setzt … auf eine Familienpolitik, die den Zusammenhalt der Gesellschaft festigt.“ Aha.

Statt den demografischen Wandel „anzugehen“ und den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu „festigen“, möchte ich einmal ein konkretes und nachprüfbares Ziel für Familienpolitik vorschlagen. Dabei gehe ich davon aus, dass

  1. Stabilität ein wichtiger positiver Gesellschaftsfaktor ist und
  2. Stabilität eine konstante Bevölkerungszahl einschließt.

Eine stabile Bevölkerungszahl wird man aber dauerhaft nicht allein durch Einwanderung erreichen. Denn fast überall auf der Welt sinken die Geburtenraten, während die Zahl attraktiver Einwanderungsländer und damit konkurrierender Einwanderungsziele steigt. Der einzig sichere Weg zu einer stabilen Bevölkerungszahl ist genügend eigener Nachwuchs.

Es folgt ganz konkret als Ziel unserer Familienpolitik: Die Zahl der Geburten sollten wir möglichst bald auf durchschnittlich gut zwei pro Frau steigern. (Für Statistiker: Gemeint ist die Zusammengefasste Fruchtbarkeitsziffer.)

Gegenwärtig liegt die statistisch ermittelte Fertilitätsrate bei nur 1,4.


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12 Kommentare

  1. Wirtschaftswurm sagt

    Gerade gebloggt und schon ein dummer Kommentar von Stephan Ewald auf Twitter: „Die Frauen-Quote ist vergleichbar mit Nazi-Blut&Boden-Ideologie. Eine Geburten-Quote für deutsche Frauen ist aber OK. Sagt @Wirtschaftswurm“
    Genau! Und das ist keine Inkonsequenz meinerseits. Ich bin ja nicht gegen Quoten als statistische Kennziffern. Ich bin gegen Quoten als Maßstab für gesellschaftliche Umverteilungen. Mit der durchschnittlichen Fertilitätsrate soll aber nichts verteilt werden, noch nicht einmal die Babys. Sie ist ein gesamtgesellschaftliches Ziel, das natürlich auch Männer etwas angeht.

  2. Thomas sagt

    Stabilität kann nur durch Nachhaltigkeit erreicht werden. Nachhaltigkeit ist aber mit 200 Einw./km² schwer zu erreichen. Deswegen sollte eine stabilitätsorientierte Familienpolitik eine Verringerung der Bevölkerungszahl anstreben.
    Ansonsten: Das ist die absolut richtige Frage, was sind die Ziele, die über wirksam oder unwirksam entscheiden?

  3. PotzBlitzDonner sagt

    Ich hätte mal ne Anregung dazu, vielleicht liegt das Problem in der Ausrichtung der Förderung. Meistens geht es ja darum überhaupt das Kinderkriegen zu fördern. Vielleicht wäre es besser die die sowieso schon daran Interessiert sind wenigstens ein Kind zu bekommen oder schon eins oder zwei haben eben im besonderen zu Fördern eben noch mehr Kinder zu bekommen. Macht vielleicht auch aus ökonomischer Sicht mehr Sinn. Ich meine Mal gehört zu haben, das in Frankreich prozentual auch nicht mehr Frauen Kinder haben als in Deutschland, dort gäbe es aber zum Beispiel mehr Frauen die drei oder noch mehr Kinder haben als hier……

  4. Ich bin bei diesem Thema wieder äusserst misstrauisch.

    Als die Abstimmung zu den Studiengebühren stattfand gab es einige seltsame Artikel die versucht habe Studiengebühren als sozial gerecht darzustellen. Jetzt tauchen auf einmal in allen Blättern diese Artikel über die Familienförderung auf.

    In beiden Fällen wird auf Studien verwiesen. Auf die Studien selber wird nicht eingegangen. Wer die Studien erstellt hat und wer sie finanziert hat wird nicht erwähnt.

    Der Verdacht drängt sich auf, dass im Fall der Familienförderung eine soziale Leistung in Verruf gebracht werden soll um sie ersatzlos streichen zu können.

    Sicherlich könnte man über die Effizienz der eingesetzten Mittel diskutieren, aber darum soll es nicht gehen. Ziel der Kampagne (und um eine solche handelt es sich) ist aber nicht die bessere Verteilung vorzubereiten, sondern die ersatzlose Streichung.

    Wann immer in den letzten Jahren Bereiche des Sozialstaates „reformiert“ wurden, ging es um radikale Kürzungen der Sozialausgaben. Selten mal wird der Urheber der Kampagne aufgedeckt.

    Wie zum Beispiel hier im Report aus Mainz

  5. Wirtschaftswurm sagt

    @Thomas,
    200 Einwohner / km2 halte ich für einen absolut willkürlichen Wert.
    @PotzBlitzDonner,
    vielleicht sollten die Leute auch wieder früher mit dem Kinderkriegen anfangen.

  6. Wirtschaftswurm sagt

    @Wirtschaftsphilosoph,
    Sie kritisieren einen Gedankensprung in meiner Argumentation. Darum will ich einmal darauf eingehen, warum Stabilität eine konstante Bevölkerungszahl erfordert: Weil unsere gesamte Infrastruktur (Schulen, Straßen usw.) auf eine bestimmte Bevölkerungszahl ausgelegt ist und weil darüber hinaus unsere gesamte Wirtschaftsstruktur auf eine bestimmte Bevölkerungszahl ausgelegt ist. Zur Wirtschaftsstruktur zähle ich jetzt auch mal die Sozialversicherungen, aber genauso Einzelhandel und Dienstleistungsgeschäfte. Änderungen der Bevölkerungszahl verursachen enorme öffentliche wie private Kosten.
    Sie schreiben, aus liberaler Sicht solle es keine Bevölkerungspolitik geben. Da würde mich interessieren, ob das Ihrer Meinung nach auch für arme Länder mit stark wachsender Bevölkerung gilt.
    Es ist allerdings richtig, dass ich hier nicht mit liberaler Dogmatik argumentiere, sondern eher systemisch. Ich sehe Staaten als Systeme an mit dem Recht auf Selbsterhaltung. Liberale Politik, die ich jetzt mal mit den Schlagworten Toleranz und Dezentralität der Entscheidungen beschreibe, ist in der Regel gut für die Selbsterhaltung des Staates. Aus der übergeordneten Sicht ist sie aber auch nur Mittel zum Zweck.

  7. Alex Hummel sagt

    „Weil unsere gesamte Infrastruktur (Schulen, Straßen usw.) auf eine bestimmte Bevölkerungszahl ausgelegt ist und weil darüber hinaus unsere gesamte Wirtschaftsstruktur auf eine bestimmte Bevölkerungszahl ausgelegt ist.“

    Das sollte man aber genauer formulieren. Die Infrastruktur ist nicht nur auf eine bestimmte Bevölkerungszahl ausgelegt sondern und vor allem auf eine bestimmte Alterstruktur der Bevölkerung. Wenn sich diese signifikant ändert, auch bei einer konstanten Bevölkerungsanzahl, hat man Probleme – z.B zu viele Schulen aber zu wenig Altersheime.
    Ausserdem darf man auch die Produktionsseite nicht vergessen – was nützt einem beispielsweise dass man genug Schienen und Züge hat um die Bevölkerung zu wie früher zu transportieren wenn plötzlich Lokführer fehlen.

  8. Wirtschaftswurm sagt

    Das ist richtig. Wenn die Fertilitätsrate allerdings bei 2 ist und konstant, dann ändert sich auch die Größe der Alterskohorten nicht mehr.

  9. Alex Hummel sagt

    „Das ist richtig. Wenn die Fertilitätsrate allerdings bei 2 ist und konstant, dann ändert sich auch die Größe der Alterskohorten nicht mehr.“

    Ich kenne mich mit der Demografie nicht wirklich aus, aber laut dem was ich im Internet gelesen habe, stimmt die obige Aussage nicht:
    Die Demografen bezeichnen eine Bevolkerung mit einer konstanten Altersstruktur als „stabile Bevölkerung“. Die Vorausetzung für diese Stabilität ist, dass die altersspezifischen Fertilitätsrate UND Überlebensrate konstant sind. Wenn dann die Geburtenrate kleiner/größer ist als die Sterberate schrumpft/wächst die Bevölkerung exponentiell bei gleichbleibender Altersstruktur. Laut Wikipedia gibt es so eine Bevölkerung allerdings in der Realität nicht, daher ist das alles nur vom akademischen Interesse.
    In Deutschland z.B. haben wir wg. medizinischen Fortschritt wachsende Überlebensraten bei einer konstanten Fertilität (sein etwa 1970) somit kann die Bevölkerung nicht stabil bleiben.

  10. Wirtschaftswurm sagt

    @Alex Hummel,
    ja, du hast recht, es kommt natürlich auch auf die Überlebensraten an. Ich habe das etwas vereinfacht. Die Überlebensraten im reproduktiven Alter (großzügig gerechnet 15-45) sind heute aber schon so hoch, dass sie kaum noch gesteigert werden können.

  11. PotzBlitzDonner sagt

    Ich hätte noch einen, vielleicht etwas skurrilen Vorschlag. Theoretisch könnte die Fertilitätsrate auf dem jetzigen Niveau bleiben vorrausgesetzt es würden zukünftig Prozentual weit mehr Frauen als Männer geboren werden. Wie sich das dann auf die Familienstrukturen auswirken würde ist eine andere Frage…..

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