Die sogenannte österreichische Konjunkturtheorie ist wohl bis heute die einzige, die Banken und Finanzmärkte ausdrücklich berücksichtigt. Darum lohnt sich eine Beschäftigung mit ihr. Wer wenigstens wissen will, worum es geht, für den eignet sich der Beitrag von Eduard Braun:
Veröffentlicht am 4. März 2014
Eine spannende Geschichte, die Herr Braun da erzählt. Plausibel ist sie aber nicht. Mal einige Seltsamkeiten:
1. Mises entwickelte seine Theorie 1912 vor dem Hintergrund der bis dahin zu beobachtenden Boom-Bust-Zyklen. Die Fed wurde erst 1913 gegründet. Es dürfte daher schwierig sein, die ZB für das Ausmaß der „Zirkulationskredite“ verantwortlich zu machen, wenn man – und das tut Braun ja ausdrücklich – der 100 Jahre alten Theorie von Mises folgt, die ohne eine ZB auskommen muss.
2. Investoren – und Braun spricht ja nicht von Spekulanten – bilden bei ihren Investitionsentscheidungen Erwartungen über die langfristigen Zinsen. Warum gehen sie im Modell von Mises durch die Bank davon aus, dass die Zinsen für immer niedrig bleiben? Ist das nicht ganz schön dämlich? Blasen auf einzelnen Märken sind möglich. Aber eine Blase auf allen Märkten?
3. Hyperinflation auf Konsumgütermärkten ist ein ganz wesentliches Element der Braun/Mises-Story. Aber weder vor 1929 noch vor 2007 hat es eine solche gegeben. Mit anderen Worten: Es hat keine Verdrängung der Konsumgüterindustrie durch die Investitionsgüterindustrie stattgefunden. Hinzu kommt: Wenn die Erhöhung der Konsumgüterpreise in Verbindung mit niedrigen Zinsen die Relativpreise so verändert, dass es zu einem Boom auf dem Investitionsgütermarkt kommt, müsste nach Zinserhöhungen und dem Platzen der Blase das Gegenteil eintreten: Ein Boom auf dem Konsumgütermarkt. Einen solchen hat es noch während keiner Wirtschaftskrise gegeben.
4. Arbeitslosigkeit wird mit dem Ausscheiden der AN aus der Investitionsgüterindustrie und einem Mismatch zu den Anfordernissen an AN in der Konsumgüterindustrie erklärt. Die gesamte Arbeitslosigkeit während der Krise wäre also strukturell und temporär und müsste zugleich von einem enormen Fachkräftemangel begleitet werden. Die empirische Evidenz für eine solche Entwicklung dürfte wohl Null sein.
Meine Meinung zu deinem Punkt 3. Die Konsumgüterpreise sind vielleicht kein besonders guter Indikator, zumindest kommt es wohl normalerweise lange vor der Hyperinflation zum Wirtschaftszusammenbruch. Bezeichnend ist aber, dass alle Euro-Krisenländer bis 2008 überdurchschnittliche Inflationsraten hatten. Siehe: War der Euro wirklich so stabil?.
Zu deinem Punkt 4. Hier muss man wohl die österreichische Theorie mit der keynesianischen ergänzen: Ist die Krise erst einmal da, gibt es Unsicherheiten und sich selbstverstärkende Effekte.
Danke für diese interessante Anregung – werde gleich mal den Artikel lesen und mich damit beschäftigen.
Grüße
HG