Wirtschaftswurm-Blog

Intellektuelle Elite oder verständliches Massenmedium? Das Dilemma der (Wirtschafts-)Blogs

Auf der re:publica 13 wurde unter anderem über Wirtschafts- und Finanzblogs diskutiert. Über Pfingsten bin ich noch einmal dazu gekommen, mir das Video dieser Diskussion anzuschauen und mir einige (weiterführende?) Gedanken zum Diskussionsthema „Finanzblogs: Intellektuelle Elite oder verständliches Massenmedium?“ zu machen.

Tatsächlich ist die aufgeworfene Frage ja eine, die sich mir konkret auch beim Schreiben jedes einzelnen Blogartikels neu stellt. Was kannst du beim Leser voraussetzen? Wie tief sollst und kannst du in die Thematik einsteigen?

Gut war, dass die Diskutanten ziemlich schnell geklärt hatten, dass es letztlich die Entscheidung jedes Bloggers selbst ist, wo auf der Linie zwischen intellektuellem Tiefgang und breiter Verständlichkeit er seine Texte verortet. Es gibt keinen Auftrag oder keine Verpflichtung der Blogger, die unzweifelhaften Defizite in der wirtschaftlichen Allgemeinbildung der Deutschen, die Schule und Wirtschaftsjournalismus gelassen haben, aufzuarbeiten.

Recht hat Marc Schmidt von den Börsenbloggern (übrigens der Finanzblog-Award-Preisträger 2011), wenn er kritisiert, dass bei Finanz- und Wirtschaftsblogs gerne ein abgehobenes Niveau kritisiert wird, das man aber bei Auto-, Mode- und Techblogs widerspruchslos hinzunehmen bereit ist. Wer mit dem Anspruch an einen Wirtschaftsblog geht „Ich hab zwar keine Ahnung, aber erklär‘ mir mal kurz die Eurokrise“, der kann nur enttäuscht werden.

Es ist also allein die Entscheidung des Bloggers, wo auf der Skala zwischen intellektuellem Tiefgang und breiter Verständlichkeit er sich einordnet. Aber noch mehr: Ein Blogger ist keinesfalls verpflichtet, das einmal gewählte Niveau beizubehalten. Die folgende Grafik veranschaulicht, dass Blogtext A mehr intellektuellen Tiefgang hat, während Blogtext B mehr auf breite Verständlichkeit setzt.

Einordnung der Blogtexte A, B und C auf einer Skala Tiefgang versus Verständlichkeit

Dilemma zwischen Tiefgang und Verständlichkeit

Ein Blogtext sollte nun nicht nur aneinanderreihen, er sollte erzählen. Den Unterschied zwischen Aneinanderreihen und Erzählen kann ich nicht theoretisch erklären, vielleicht können das die Medien- und Literaturwissenschaftler. Aber mit Bezug auf die dargestellte Skala (Tiefgang-Verständlichkeit) bedeutet Erzählen, dass man nicht nur einen Punkt auf ihr besetzt, sondern eine Strecke. Erzählen ist wie das Übereinanderlegen verschiedener Schichten. Und dadurch arbeitet man sich innerhalb eines Textes von breiter Verständlichkeit zu größerem intellektuellem Tiefgang vor – oder manchmal vielleicht auch in umgekehrter Richtung.

Eine gute Erzählung ist ein Text der Sorte C, einer, der sowohl den A-Text an Tiefgang als auch den B-Text an Verständlichkeit übertrifft.

Ich möchte hier im Blog C-Texte schreiben.

Natürlich gibt es da Grenzen.

Meine Grenze auf der Skala nach links: Was ich selbst nicht kapier‘, kann ich anderen auch nicht vermitteln. Bei nicht wenigen volkswirtschaftlichen Studien mit komplizierter Mathematik wird diese Grenze durchaus erreicht.

Außerdem schreibe ich journalistisch, nicht wissenschaftlich-präzise. Den Unterschied hat Sebastian Hauser mal sehr schön im Taz-Blog demonstriert. Die journalistische Schreibe vereinfacht weniger wichtige Sachverhalte, um besser lesbar zu bleiben.

Meine Grenze auf der Skala nach rechts: Ich denke, alles, was in der Wikipedia gut erklärt ist, brauch ich hier nicht noch einmal breit zu erklären. Leider hat die Wikipedia gerade bei Volkswirtschaftsthemen viele Schwachstellen oder besser: umfangreiche Schwachgebiete. Trotzdem: Dass Grundbegriffe bekannt sind und ein gewisses Grundverständnis von Wirtschaft vorhanden ist, setze ich bei meinen Blogtexten voraus. Noch besser gesagt: Ich setze voraus, dass das Interesse/die Wissbegierde da ist, sich ein paar Grundlagen selbständig anzueignen.

Nach der Frage, was Blogs sein sollen und nach der, was ich mit meinen Blogtexten will, verbleibt noch die, wo Wirtschaftsblogs (inklusive meiner) tatsächlich stehen. Eine empirische Frage, die leider in der Podiumsdiskussion auf der re:publica nicht explizit beantwortet wurde.

Tatsächlich verstehen sich die meisten Wirtschaftsblogs als Ergänzung und als Korrektur der Wirtschaftspresse und ordnen sich auf der Grafik oben eher links von Titeln wie FAZ, Handelsblatt und Wirtschaftswoche ein. Wirtschaftsblogs wollen zusätzlichen Tiefgang schaffen! Im Übrigen sieht man das auch gut an den „Blogs“ der Zeitungen selbst wie etwa Fazit oder Herdentrieb. Deren Anspruch ist ganz augenscheinlich, Hintergründe und Zusammenhänge zu erklären, die in den Zeitungen selbst zu kurz kommen.


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  1. Pingback: Kleine Presseschau vom 22. Mai 2013 | Die Börsenblogger

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