Wirtschaftswurm-Blog

Flughafen Berlin Brandenburg: Ist Effizienz ein Modell von gestern?

Angesichts des Desasters um den Bau des Flughafens Berlin Brandenburg schreibt Frank Lübberding im Blog „wiesaussieht“: „Technokratische Effizienz ist ein Modell von gestern.“ Aber stimmt das wirklich?

Luftbild Flughafen Berlin-Brandenburg, Terminal, Rollfeld, Startbahn

Luftbild des Flughafens Berlin Brandenburg

Lübberding zumindest plädiert für mehr Gelassenheit im Umgang mit Milliardenmehrkosten und Jahre dauernden Verzögerungen bei Großprojekten wie Berlin Brandenburg, Stuttgart 21 oder der Hamburger Elbphilarmonie. Gelassenheit zumindest dann, wenn das ständige Herumschrauben am Projekt seiner Legitimation beim Souverän, dem Volk, dient.

Nun – sollte Lübberding mit seiner Effizienz-These recht haben, hätte sich der größte Teil der Wirtschaftswissenschaften erledigt und ich könnte auch dieses Blog dicht machen. Denn die Wirtschaftswissenschaften beschäftigen sich im Kern lediglich mit den zwei Fragen:

  1. Wie werden Güter effizient verwendet?
  2. Wie werden Güter verteilt?

Es bliebe also nur noch die Verteilungsfrage übrig.

Aber was heißt Effizienz genau? Oder anders gefragt: Wann ist Effizienz erreicht? – Zwei Prinzipien müssen dazu erfüllt sein:

  1. Bei gegebenen Mitteln muss das bestmögliche Ziel erreicht werden und
  2. bei gegebenem Ziel muss dieses mit minimalen Mitteln erreicht werden.

Effizienz und Effektivität werden gerne verwechselt. Man sollte jedoch beides unterscheiden. Effektivität bemisst sich lediglich am Zielerreichungsgrad. Effektiv ist man, wenn man sein Ziel 100-prozentig verwirklicht. Effektivität kann aber völlig ineffizient sein, wenn man dafür unverhältnismäßig viele Mittel einsetzt. Im Übrigen war nie die deutsche Effizienz sprichwörtlich, wie Olaf Storbeck in einem Kommentar zum „airport mess“ meint; berühmt waren die Deutschen eher für ihre Effektivität, dafür, alles 100-prozentig zu machen.

Effektivität ist dann wichtig, wenn das Problem eines der Art „ganz oder gar nicht“ ist. So ist es nutzlos, wenn die Feuerwehr einen Brand zu 99 % löscht. Entweder sie löscht den Brand ganz oder eben gar nicht, und darauf, möglichst wenig Wasser zu verbrauchen, kommt es dabei nicht an.

Effizienz ist aber wichtig, wenn die Mittel knapp sind. Die Verteilungsfrage, die zweite Frage der Wirtschaftswissenschaften, wird ebenso erst bei knappen Gütern relevant. Nicht umsonst definiert man Ökonomik häufig als Lehre vom Umgang mit knappen Gütern. Über Güter, die nicht knapp sind, braucht man sich keine wirtschaftlichen Gedanken zu machen. Es ist für alles und für alle immer genügend da.

Knapp sind zunächst zweierlei:

  • natürliche Ressourcen (Rohstoffe, Land, Senken für schädliche Stoffe)
  • Zeit, vor allem die menschliche Arbeitszeit

Die Knappheit aller anderen Güter gründet letztlich auf diesen beiden Knappheiten. Das ist heute noch genauso wie vor 1000 Jahren! Damit ist allerdings auch Effizienz kein Modell von gestern, gerade nicht bei enorme Mittel verschlingenden Großprojekten wie dem Flughafen Berlin Brandenburg.

Somit ist Frank Lübberding vollkommen widerlegt. Die Wirtschaftswissenschaften können weitermachen.

Vielleicht hat Lübberding aber doch irgendwie recht

Schauen wir uns die beiden Effizienzprinzipien noch einmal an:

  1. Bei gegebenen Mitteln muss das bestmögliche Ziel erreicht werden und
  2. bei gegebenem Ziel muss dieses mit minimalen Mitteln erreicht werden.

Voraussetzung, um Effizienz zu bestimmen, ist demnach, dass Klarheit über das bestmögliche Ziel bzw. das gegebenen Ziel herrscht. Bei vielen Großprojekten wie dem Flughafen Berlin Brandenburg scheint das aber nicht der Fall zu sein. Wir haben es eher mit einer wabernden und im Laufe der Zeit wandernden Zielwolke zu tun. Bei Berlin Brandenburg betrifft das zum Beispiel das zu bewältigende Passagieraufkommen. Das betrifft aber auch die Fragen, wie viel Lärmschutz und wie viel Brandschutz notwendig sind.

Die Zielwolke wabert aufgrund der Vielzahl der Beteiligten mit unterschiedlichen Interessen. Und sie wandert schon allein, weil sich Meinungen im Laufe der langen Projektdauer ändern.

Eine wabernde und wandernde Zielwolke bedeutet für das Ziel der Effizienz eine Herausforderung. Effizienz nur in Hinblick auf die jeweils gerade aktuelle Form der Zielwolke ist nämlich ineffizient. Nur flexible Lösungen sind nachhaltig effizient.

Das Kriterium der Effizienz selbst wird durch eine sich laufend verändernde Zielwolke aber nicht erschüttert. Es ist ja viel grundsätzlicher in der Knappheit der Güter selbst verankert.

Es ist aber auch Sache der Köpfe ganz oben (zum Beispiel im Aufsichtsrat) unnötiges Wabern und Wandern der Zielwolke zu verhindern. Hier darf bei Klaus Wowereit nachgehakt werden. Man muss die Effizienz auf den Zielfindungsprozess selbst ausdehnen.


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/www/wp-includes/class-wp-comment-query.php on line 405

10 Kommentare

  1. Häschen sagt

    Man soll nicht probieren beides zu kombinieren zum selben Zeitpunkt. Ich kenne keine Organisation und sei es eine Projektorganisation die das vorsätzlich jemals geschafft hätte. Das Ergebnis ist ein Desaster in der Regel.

    Erfolg stellt sich eigentlich immer ein sofern man
    a) Das Richtige nicht total falsch zu machen
    b) Nicht das Falsche total richtig zu machen

    Bei den Großprojekten muss man aufpassen. Da gibt es politische Preise im Vorfeld die sind so naja ca. 50% des realistischen Preises der wird kommuniziert. Das sollte man nicht vergessen. Der Rest ist politische Bühne, selbst die Deutsche Ingenieurskunst wurde beschworen. Einen Flughafen beurteile ich mal nicht… aber in IT Projekten wage ich mitzureden.

    Nehmen sie ein SAP Einführungsprojekt. In der Regel scheitert ein IT Projekt noch immer mit einer Wahrscheinlichkeit von 90%, wenn es groß genug ist. In den 80er waren es so 80%, die aus unterschiedlichsten Gründen abgebrochen wurden. Egal wie Effizient man so ein Projekt macht, es ist zu groß. Dann nahm man SAP, das war schon zu 80% fertig hat Monate herum gebastelt und voller stolz bereichtet
    1) Wir haben ein Ergebnis
    2) die ersten 82% sind geschafft
    Die restlichen 18% dauern 20 Jahre oder das Geld geht aus, das braucht man ja nicht dazusagen, wenn dem Vorstand der Projekterfolg vermeldet wird. ERP ist an sich ein Tamagotchi die 18% lassen sich locker und lässig als ständige Verbesserung verkaufen usw… was halt just auf der Tagesordnung steht. SAP Betreiberorganisationen sind selten Effizient aber die Einführung ist effektiv – das ist nicht der Mannschaft geschuldet sondern dem ERP, hängt vom Thema ab.

    Das hilft leider bei den Entwicklungsprojekten wenig. Der Fluch einer technischen Lösung ist, man kann nicht wie bei einem Projekt in den kaufmännischen Fachbereichen von Unternehmen ein Folie malen und sagen, das ist ein Ergebnis. Da das Ziel der ganzen Aktion einer kleiner Subset war, sind alle zufrieden – es wusste allein keiner außer dem Projektleiter.

    Zielwolke – in der Tat. Sie können sehr effizient im Gleichschritt gegen eine Mauer laufen. Wäre b) und noch immer der Meinung sein – Was nicht sein kann, darf nicht sein. Friktionen nicht einrechnen.

    Was sie beschreiben am Flughafen, dass Requirements hinzugenommen werden ist ein Zeichen für politische (im Sinne von Projektpolitik) Zugeständnisse. Das Projekt ist hinter Plan und sie können die nicht in Monaten die verlorene Zeit reinholen. Je weiter man nach hinten kommt, desto schwieriger wird es. Projekterfolg ist geometrisch verteilt, je weiter man zurückfällt desto unwahrscheinlicher wird ein Teil fertig – der Grund sind Friktionen und die nehmen bei zunehmenden Zeitverlauf zu inbesondere unter Druck,

    Der Soldat in der Schlacht bringt 40% der möglichen Kosteneffizienz. (Strategische Betrachtung – Edward Luttwack , Strategie – Die Logik von Krieg und Frieden). Die Kosten eines militärischen Manövers sind 40% derer der Realität im Kampf. Die Realität ist um das 1,5 fache teurer.

  2. Wirtschaftswurm sagt

    @Häschen,
    ja, ein Problem ist, dass es für Flughäfen nichts in der Art SAP gibt, also ein fertiges Modul, dass schon 80% der Leistung liefert. Aber so etwas ist ja auch von den Architekten und Baufirmen gar nicht gewollt, würde es doch ihren Verdienst kräftig schmälern.
    Mit Kriegsvergleichen wäre ich etwas vorsichtiger, auch wenn du zumindest in der Tendenz recht hast. Darum dann doch der Hinweis auf Altvater Clausewitz: Friktionen im Kriege.

  3. Pingback: Kontrafaktische Geschichtsschreibung

  4. Pingback: Aufgelesen … Nr. 13 – 2013 | Post von Horn

  5. someone sagt

    Wieso sollte menschliche Arbeitszeit knapp sein? In Deutschland ist die Arbeitslosenrate zwar gesunken, aber von Vollbeschäftigung ist man immer noch weit entfernt. Und diese wird im Zweifel auch nicht erreicht.

  6. Wirtschaftswurm sagt

    Ganz grundsätzlich, weil der Tag nur 24 Stunden hat, das Jahr nur 365 Tage und das Leben, wenn’s gut läuft, an die 80 Jahre. Außerdem gibt es neben Arbeit noch viele andere Dinge zu tun. Also sollte man mit seiner Zeit haushalten, sie effizient nutzen, also sollten auch Unternehmen die Zeit ihrer Arbeitskräfte effizient nutzen. In einer Marktwirtschaft werden Unternehmen dazu angehalten, indem sie für die Arbeitszeit Lohn zahlen müssen.

  7. Wernd sagt

    An die Chinesen für ein Stück Brot verkaufen. Die stellen einen ordentlichen Plan zusammen und der Flughafen ist im Herbst fertig. Der bisherige Verlauf wirkt unorganisiert und ohne klare Führung.

  8. Blinse sagt

    @Wernd
    Ich empfehle Ihnen die Sendung „internationaler Presseclub“ vom 13.01.2013.Tippen Sie es in die Suchmaschine und schauen Sie ab Minute 6.16, wie der chinesische Journalist die Frage gestellt bekommt, warum es in China derartige Probleme bei der Errichtung solcher Großprojekte nicht gibt. Hören Sie 2,5 Minuten zu und Sie wollen auch die Chinesen nicht mehr.

  9. Wernd sagt

    „Shi Ming wächst im Reich der Mitte auf und erlebt das politische Auf und Ab.

    Sein Vater ist Architekt und Hochschuldozent und gehört damit der Oberschicht und jener Klasse an, die zur Zielscheibe der Kulturrevolution wird.
    SHI Mings Eltern haben schwer unter Roten Garden zu leiden. Er selber studiert bis Anfang der 80er Jahre an der zweiten Fremdsprachen-Universität Pekings Germanistik und Jura. Danach folgen vier Jahre als Sprecher und Journalist beim staatlichen Rundfunk.“

    Klar ist der Mann kritisch. Dennoch: Chinas Großbauprojekte funktionieren. Das bezweifelt nicht einmal der Exiljournalist. Was er sagt ist, dass da aus seiner Sicht nicht vermutlich nicht alles offengelegt wird. Angesichts von BER oder der Elbphilharmonie ist das beinahe schon Hohn.

  10. Blinse sagt

    @Wernd
    Na Mensch, klar funktionieren die Großbauten. Das Gegenteil behauptet ja auch der Shi Ming nicht. Er sagt eben nur, daß sie um jeden Preis gebaut werden, und zwar buchstäblich ohne Rücksicht auf Verluste jedweder Art. Und dieser Preis muß irgendwann bezahlt werden. Die monetären Belastungen spüren die Regionalhaushalte ja schon. Die sozialen kann das Regime natürlich unterdrücken, in China kein Problem. Also, die Chinesen können nicht besser bauen, sie haben eben nur einen Leader, der das Prestigeprojekt gegen jeden Widerstand durchsetzt. Im Westen so nicht machbar. Tja, Vorteil oder Nachteil?

Kommentare sind geschlossen.