Mit ihrer Abmahnung des Startups Commentarist haben sich FAZ und Süddeutsche keine Freunde unter Bloggern gemacht. Marcel Weiss (neunetz.com) kritisiert die harten Bandagen, mit denen die Verlage kämpfen: 3640 € Abmahngebühren und vielleicht 50.000 € Schadensersatzforderungen. Der Spiegelfechter kritisiert, dass die Verlage ein Kleinunternehmen bei mehr als zweifelhafter rechtlicher Grundlage bedrängen.
Worum geht es? Commentarist betreibt eine Suchmaschine für Kommentare im Netz. Die Website erlaubte einen Überblick über wichtige Kommentarartikel zu einem speziellen Thema. Die Artikel wurden mit Überschrift und kurzem Textanriss dargestellt und verlinkt – zumindest bis die Website erst einmal wegen der Abmahnung vom Netz gehen musste.
Die Verlage berufen sich hauptsächlich auf das Urheberrecht, das angeblich durch die kurzen Anrisse verletzt sei. Allerdings gibt es auch ein Zitatrecht, dessen Umfang jedoch immer wieder umstritten ist. Im vergleichbaren Fall Paperboy hatte der BGH einen Internet-Suchdienst für Presseartikel für rechtens erklärt.
Rätselraten herrscht in der Bloggerszene darüber, was die Verlage tatsächlich motiviert, gegen Commentarist vorzugehen. Immerhin macht der Dienst Werbung für die Kommentarartikel und verschafft ihnen zusätzliche Leser. Der Spiegelfechter glaubt, die Klage sei Teil einer Kampagne für das Leistungsschutzrecht, das die Verlage politisch für sich fordern. Stefan Sasse sieht eher psychologische Gründe.
Wahrscheinlich sehen aber die Verlage wirklich in Suchmaschinen eine ernsthaft Konkurrenz für ihr Internetgeschäftsmodell; vielleicht weniger im kleinen Commentarist, wohl aber in Google News und anderen. Bei Commentarist soll ja nur das Exempel statuiert werden.
Denn Suche ist ein wesentlicher Teil der Arbeit einer heutigen Redaktion: die Suche nach Themen und die Suche nach Autoren. Klar, im Gegensatz zum menschlichen Redakteur hat die konkurrierende Suchmaschine kein abgeschlossenes Studium und auch keine langjährige Berufserfahrung. Sie ist sehr viel schlechter als der menschlicher Redakteur. Aber sie verursacht auch nur einen winzigen Bruchteil seiner Kosten.
Den Internetnutzern scheint die Filterleistung der Suchmaschine zu reichen. Ihre Unzulänglichkeiten bügeln sie selbst bei der Durchsicht der Ergebnisse aus; abgesehen davon, dass sich auch die Autoren um die Themenauswahl Gedanken machen (und gelegentlich sogar darüber, ob sie für ein bestimmtes Thema der geeignete Schreiber sind). Ihre Nachteile kann die Suchmaschine zudem durch einen immensen Vorteil wettmachen: Während ein menschlicher Redakteur vielleicht zwei oder drei Autoren kennt, die über ein bestimmtes Thema schreiben können, kennt die Suchmaschine alle.
Die Suchmaschine kann also einen wichtigen Teil der Redaktionsarbeit ersetzen. Und dieser Teil der Redaktionsarbeit produziert durchaus Klicks, die nun aber an z. B. Commentarist fallen. Statt die Portalseite von FAZ und Süddeutsche zu besuchen, wird die von Commentarist aufgerufen und hierher kehrt der Nutzer womöglich wieder zurück. Und nein, die Verlage wollen keine Leser (die werden durch Commentarist tatsächlich mehr), sie wollen Klicks. Mehr Klicks bedeuten mehr Werbeeinblendungen und damit mehr Werbeerlöse.
Aus dieser Sicht verwundert es nicht, dass FAZ und Süddeutsche gegen Commentarist zu Felde ziehen.