übernommen aus Wirtschaftswende vom 25.6.2009
Die Finanz-, Wirtschafts- und speziell im heutigen Fall die Ausbildungsplatzkrise schreibt doch immer wieder rührende Geschichten. Naja, zumindest veranlasst sie immer wieder Journalisten, rührende Geschichten zu schreiben. Z. B. heute in DerWesten (Siegener Rundschau).
Da lesen wir von Kim Schwung und wie sie mit großen Visionen (und ein Ausbildungsplatz ist heutzutage doch eine große Vision, zumindest für einen Hauptschüler), mit unendlichem Einsatz sowie mit Durchhaltevermögen schließlich und zu guter Letzt ihr lang ersehntes Ziel erreicht. Sie erhält eine Ausbildungsstelle zum IT-Systemelektroniker bei der Deutschen Telekom.
Das hat alles von einer guten Boulevardstory – Leidenschaft, widrige Umstände, heroischer Kampf und – ganz wichtig – ein Happy End. Außerdem, ja, die Welt ist noch gerecht, handelt die Geschichte nicht in fernen oder gar mythischen Ländern. Sie geschah gleich hier, nebenan. Sie handelt von Leuten wie du und ich und von Mädchen, die meine Tochter sein könnten. “Hör mal, Jessica (oder Marion oder Lisa), lies mal hier in der Zeitung “, so erschallte es heute morgen dutzendfach an Siegerländer Frühstückstischen, “diese Kim, die hat jetzt einen Ausbildungsplatz und du noch nicht. Die hat aber auch ein Jahr lang Berufsvorbereitungskurse besucht, während du mit deinen Freundinnen rumgehangen hast.”
Was nicht in das Boulevardschema passt, wird allerdings in der Geschichte weggelassen oder nur nebenbei erwähnt: etwa, dass 65 bis 70 % der Hauptschüler zunächst vergeblich nach einer Ausbildungsstelle suchen, etwa, dass es dieses Jahr laut DGB eine betriebliche Lücke von 86.000 Lehrstellen gibt und dieses trotz einer stark geschrumpften Zahl an Ausbildungssuchenden. Kritische Fragen findet man bei DerWesten ebenfalls nicht: Ist nicht das einzige Ergebnis der beschriebenen Berufsvorbereitungskurse, dass die Teilnehmer bei der Ausbildungsplatzsuche die anderen Schüler verdrängen? Durch sie wird auf jeden Fall kein einziger zusätzlicher Ausbildungsplatz neu geschaffen.
Übrigens: Herzlichen Glückwunsch, Kim Schwung, zu deinem Ausbildungsplatz.
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